Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
mit ihm zu tun hatte. Erlebnisse, kleine Details, Gesichtsausdrücke, den Klang seiner Stimme, was er erzählt hatte, wie er gelächelt und gelacht hatte. Polly war es schließlich gelungen, mich zu beruhigen, indem sie sich als Gedächtnisstütze zur Verfügung stellte. Ich durfte ihr alles erzählen, an das ich mich erinnerte, und sie versprach, sich möglichst viel davon zu merken. Da ich es ohnehin für richtig und wichtig hielt, dass sie etwas über ihren Vater erfuhr, nahm ich ihr offenes Ohr gerne in Anspruch, auch wenn ihr selbst nichts daran zu liegen schien.
Als Atalante mich nach einiger Zeit wieder anblickte, hatte sie sich gefangen. „Früher ist vorbei. Es bringt nichts, in der Vergangenheit zu verharren“, sagte sie fest und erhob sich. „Ich zeige dir lieber das Haus. Du hast noch lange nicht alles gesehen.“
Enttäuscht stand ich auf und lief ihr hinterher. Ich konnte verstehen, dass das Thema nicht leicht für sie war, deswegen beharrte ich nicht auf meiner Forderung, aber es gefiel mir nicht, dass sie nicht einmal mit mir über ihre Vergangenheit sprechen wollte.
„Hier oben kennst du schon fast alles. Außer meinen Räumen und der Bibliothek befindet sich dort noch der Tempelraum.“ Sie zeigte den Gang entlang auf zwei geschlossene Flügeltüren.
„Finden dort Gottesdienste statt? Äh, Göttinnendienste?“
Atalantes tadelnder Blick wegen meines lästerlichen Wortspiels ließ mich erröten. „Nein. Die Rituale werden draußen in der Natur abgehalten. Der Tempelraum dient allein der Kontemplation der Hiery, also derjenigen Amazone, die sich ganz in den Dienst der Göttin stellt.“
„Aha. Und wer ist da jetzt drin?“ Neugierig musterte ich die in die Türblätter eingeschnitzten Ornamente.
„Derzeit niemand. Wenn sich eine der Frauen dazu berufen fühlt, kann sie sich jedoch für eine gewisse Zeit aus dem öffentlichen Leben dorthin zurückziehen.“
Ich folgte ihr nach unten. Die Etagen mit den Wohnräumen und das Erdgeschoss kannte ich bereits, aber im Keller war ich zuvor noch nie gewesen. Atalante zeigte mir die Versammlungsräume, den Bunker und das Verlies, eine ziemlich altertümliche Bezeichnung für den modernen Hochsicherheitstrakt, der mehrere Zellen und Verhörräume beherbergte. Schließlich gelangten wir an eine Tür, die mit einem vierstelligen Zahlencode und einem Netzhautscanner gesichert war. Als sie sich nach der Identifizierungsprozedur mit einem leisen Summen zurückschob und den Blick in den sich automatisch erleuchtenden Raum dahinter freigab, war alles, was ich sagen konnte: „Krass.“
Während viele Gerätschaften, die in Themiskyra verwendet wurden, aus prähistorischen Zeiten zu kommen schienen, sah ich hier mehr Hightech vor mir, als mir insgesamt in meinem früheren Leben untergekommen war. Der Raum maß etwa zwanzig mal zwanzig Meter und war gerammelt voll mit den unterschiedlichsten Waffen. Ich sah Dolche, Säbel, Schwerter, Armbrüste und Kampfäxte, vor allem aber moderne Schusswaffen, die wie eine Mischung aus Super Soakers und Miniatur-Raumschiffen aussahen. Zig Regale säumten die Wände. Einzelstücke waren an den Wänden aufgehängt, außerdem standen Kisten und Vitrinen herum, die weitere Modelle und Munition verschiedenster Art enthielten. Staunend, aber auch besorgt blickte ich mich um.
„Woher habt ihr das alles?“
„Ach, das hat sich über die Jahre angesammelt.“ Atalante sagte das so nebenbei, aber ich sah ihr an, dass sie stolz war. „Und das ist noch lang nicht alles; die Räume nebenan sind auch voll davon. Einen großen Teil haben wir im Verfall organisiert, als die Armee zusammengebrochen war. Ich hielt es für sicherer, dass wir uns darum kümmerten, bevor irgendein gestörter Andrakor sie sich unter den Nagel reißen konnte, um ein kleines Endzeit-Schreckensregime zu gründen.“
Ich nickte stumm. Das war wohl in der Tat eine gute Idee gewesen.
Atalante zeigte auf eine Wendeltreppe, die an der Decke des Raums auf eine Metallplatte stieß. „Das Arsenal ist direkt mit der Waffenkammer oben verbunden“, fuhr sie fort. „Tawia wird dir das alles genauer zeigen, wenn du deinen Dienst bei der Wache antrittst. Immerhin musst du dich im Ernstfall auskennen.“
Moment mal, erwartete sie allen Ernstes, dass ich jemals so ein Ding in die Hand nahm und benutzte? Okay, mit Schwert, Bogen und Armbrust konnte ich leben, das war für mich Sport. Aber die anderen Waffen? Außerdem – ich wollte mich lediglich wehren können,
Weitere Kostenlose Bücher