Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
gezogen war.
„Das hat dir wohl kaum weitergeholfen“, flötete Areto mit schlecht gespieltem Mitgefühl. Padmini gähnte ausgiebig.
„Nein. Aber es gab noch weitere Angaben. Unter anderem, wer im Falle von Komplikationen oder schlimmstenfalls bei ihrem Tod informiert werden solle.“
„Was stand da?“
„Alkippe von Themiskyra, wohnhaft in der Industriestraße 1 bei Goldvelt.“ So hatte die ursprüngliche Adresse des Heizkraftwerks gelautet. „Maria brachte mich zur Stadtgrenze. Sie gab mir eine Karte mit und ich schlug mich bis zum Basowald durch. Dort fand mich Tetra.“
„Und die Pfeilsichere hat dich einfach mitgenommen?“
„Ich fragte sie, wie ich nach Goldvelt käme, und sie erkundigte sich, was ich dort wolle. So ergab sich eins aus dem anderen.“
„Wo ist die Karte?“
„Was?“ Diese Frage brachte mich aus dem Konzept.
„Die Karte? Die diese Ärztin dir mitgegeben hat – wo ist sie?“
Ich schluckte und rang nach Worten. Wir hatten gedacht, wir hätten uns auf alle Fragen vorbereitet – aber dieses Detail hatten wir außer Acht gelassen. Ich hätte einfach irgendwas sagen können, aber in meinem Kopf wirbelten Versatzstücke möglicher Lügengeschichten durcheinander, die alle nicht zusammenpassen wollten und ich war wie blockiert. Die Haselmaus hob eine Augenbraue, der Silberblick verschränkte die Arme und in Aretos Augen blitzte Triumph auf. Ich biss mir auf die Lippe.
„Nun? So schwierig ist das doch nicht. Wo ist die Karte?“
„Ich … ich habe …“, begann ich zu stottern, doch Padmini fuhr plötzlich dazwischen.
„Meine Güte, lasst die Kleine doch mal in Ruhe.“
Areto richtete sich wütend auf. „Nicht in diesem Ton, Padmini.“
Padmini hielt dem erzürnten Blick ihrer Mutter eine Weile trotzig stand. Dennoch war sie es, die schließlich als erste wegsah und mit einem Ruck aufstand. „Ich gehe schlafen.“ Ihr Blick fiel auf mich. Er wirkte nicht so freundlich wie der bei unserer ersten Begegnung. „Und du solltest das auch tun, wenn du morgen deine erste Trainingsstunde bei der Fußkräftigen Tianyu lebend überstehen möchtest.“
Dankbar erhob ich mich und verabschiedete mich bei den drei Frauen, die mir grimmig bis süßsäuerlich eine gute Nacht wünschten.
„Danke, Padmini“, sagte ich leise zu ihr, als wir die Treppen hinaufstiegen.
„Bilde dir bloß nichts darauf ein“, knurrte sie nur, bevor sie an mir vorbeistiefelte und türenknallend in ihrem Zimmer verschwand, das neben unserem lag.
Zurück in unserem Raum klagte ich Polly immer noch ganz aus dem Häuschen mein Leid.
„Ich kann einfach nicht gut lügen.“
„Und das ehrt dich“, beruhigte sie mich, dann sah sie mich eindringlich an. „Pass auf. Du hast die Karte in der alten Mühle vergessen. Selbst wenn Areto dort hin reitet und sie nicht vorfindet, kann sie jemand anderes inzwischen mitgenommen haben.“
„Das ist alles so kompliziert!“ Ich fasste mir an die Stirn.
„Aber nicht mehr lange. Natürlich sind jetzt alle neugierig. Aber in ein paar Wochen kräht kein Hahn mehr danach.“
Die besagten Wochen vergingen wie im Flug. Und Polly hatte recht. Nach und nach wurden die Fragen und neugierigen Blicke weniger und ich zu einem Teil der Gemeinschaft, der nicht länger spezielle Aufmerksamkeit auf sich zog. Areto hatte glücklicherweise davon abgesehen, mich noch einmal ins Verhör zu nehmen, aber ich merkte, dass sie mich genau beobachtete, und ihre stummen, wachsamen Blicke machten mich nach wie vor nervös.
Ich lernte mehr denn je in meinem Leben zuvor, und es kam mir vor, als würde ich das neue Wissen wie ein Schwamm aufsaugen. Fast jede Minute war durchgeplant mit Reitstunden, Schwertkampf, Bogensport, Taekwondo und Schulunterricht. Die Sonnengewandete Jacintha, eine langgliedrige dunkelhäutige Amazone, hielt ihre Stunden meist im Freien ab und brachte uns dort alles bei, was ich besser schon vor dem Verfall gelernt hätte, vom Überleben in der Wildnis über das Erkennen von Wetterphänomenen bis hin zu Astronomie.
Ich hatte weiterhin jeden ersten Tag in der Woche einen Stalltag mit Reittraining bei Phoebe, wechselte nach dem ersten Mondmonat für die restlichen vier Arbeitstage jedoch in die Schreinerei. Dort half ich dabei, das Holz, das von den Arbeitern in den Wäldern geschlagen und in die Stadt transportiert wurde, zu Möbeln, Karren, Fenster- und Türrahmen zu verarbeiten, oder Beschädigtes zu reparieren. Ziemlich bald nutzte ich auch die Gelegenheit, mir
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