Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
irgendetwas veränderte. Was genau, konnte ich nicht sagen. Aber die Atmosphäre fühlte sich plötzlich anders an. Sein Blick schien mich mitten ins Herz zu treffen und die Tiefe darin machte mich mutig.
Kapitel 13
Obwohl mein Verstand in meinem Hinterkopf sämtliche Alarmsirenen in Gang setzte, trat ich einen Schritt auf Louis zu und sagte: „Ich will gar nicht mehr flüchten. Ich will nicht mehr weg.“
Ich sagte das, weil ich dachte, dass es ihn vielleicht interessierte. Weil ich hoffte, dass es ihn vielleicht freute. Aber genau das Gegenteil schien der Fall zu sein. Es konnte höchstens eine minimale Veränderung seines Gesichtsausdrucks sein, aber was immer ich zu spüren geglaubt hatte, erlosch, die Verbindung brach ab und einen Wimpernschlag später sah Louis weg.
Schnell plapperte ich weiter, nur für den Fall, dass er mich womöglich falsch verstanden hatte. „Dass ich weggelaufen bin, war eine dumme Kurzschlusshandlung. Du hattest recht. Ich gehöre hierher. Meine Mutter ist hier. Meine Schwester ist hier.“
… du bist hier, ergänzte mein Herz.
Geht’s noch? empörte sich mein Verstand.
Louis wandte sich ab und begann, den Leinenbeutel am Sattel festzuschnallen. „Schön.“ So neutral das klang, ich glaubte, einen Hauch Bitterkeit darin vernommen zu haben. Ich verstand überhaupt nichts. „Das klingt, als wolltest du mich loswerden!“, versuchte ich, mein Unverständnis in einen Scherz zu kleiden. Sein kühler Seitenblick ließ mich unwillkürlich einen kleinen Schritt zurückweichen.
„Du verkennst die Lage. Ich will überhaupt nichts. Ob du bleibst oder nicht, ist deine Sache.“ Er führte das Pferd zum Ausgang und ich stolperte hinterher, perplex über die plötzliche Wendung, die unser eingangs doch so vielversprechendes Gespräch genommen hatte.
„Ich dachte nur, weil du gesagt hattest …“, stammelte ich.
„Dass du dich an mich wenden sollst, wenn du von hier weg möchtest.“ Er sah sich zu mir um und nickte mir mit einer Reserviertheit zu, die an seine anfängliche Arroganz grenzte. „Das stimmt. Doch da du dich offenbar zu bleiben entschlossen hast, weiß ich nicht, was du noch von mir willst. Du hast sicher etwas Besseres zu tun. Und ich auch.“ Damit schwang er sich auf den Rücken seines Pferds und preschte davon.
Fassungslos stand ich im Stalltor und wedelte den Staub von meinem Gesicht weg, den sein abrupter Aufbruch aufgewirbelt hatte. „Ciao“, sagte ich leise zu niemandem außer mir selbst. Tränen brannten mir in den Augen.
Das kommt vom Staub, dachte ich.
Das kommt davon, dass mir alles wehtut, berichtigte mein Herz.
Das kommt von der Wut darüber, dass er ein Idiot und Psycho ist und du wertvolle Lebenszeit in seiner Gegenwart verschwendet hast, anstatt mit deinen Schwestern im Wald zu feiern. Was du übrigens im Augenblick auch tätest, wenn du auf mich gehört hättest, bemerkte mein Verstand spitz.
Ich atmete durch, schluckte die Tränen hinunter und lief festen Schritts und ohne Veitstänze zurück ins Hauptgebäude. Diesmal spürte ich die Steinchen gar nicht.
Um meine Verspätung aufzuholen, musste ich Hekate nehmen. Die anderen waren zu Fuß gegangen, abgesehen von den Yashti, die direkt von den Feierlichkeiten zu den Sommerhäusern weiterreiten würden. Als ich an der Lichtung ankam, begann gerade der rituelle Teil der Feier. Unauffällig stellte ich mich neben Polly und tat so, als sei ich nie woanders gewesen. Die Speisen und Getränke waren als Opfergabe auf einem großen steinernen Altar abgelegt worden, um den sich die Amazonen versammelt hatten. Atalante sprach die traditionellen Worte, um Artemis für die Gaben der Natur zu danken.
Ich hätte mich früher nicht als gläubigen Menschen bezeichnet und ich hatte den Artemiskult anfangs auch seltsam gefunden. Nachdem ich aber eine Weile hier war und mich mit den Hintergründen befasst hatte, verstand ich, dass Artemis für die Amazonen eine allumfassende, zwar jungfräuliche, aber dennoch mütterliche Naturgottheit war. Artemis, Anahita, Inanna, Anat – all das waren Namen verschiedener Kulturen für ein und dasselbe uralte, weiblich-göttliche Prinzip, das hinter allem stand.
Ich konnte nichts Schlechtes daran finden. Dennoch, zwischen Akzeptieren und Glauben ist ein im wahrsten Sinne des Wortes himmelweiter Unterschied und man kann sich beim besten Willen nicht zwingen, von einem Tag auf den anderen an eine Göttin zu glauben, von der man sechzehn Jahre lang nichts gewusst hat.
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