Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
Himmel, kommentierte mein Verstand.
Es ist nicht so, wie du denkst. Und das stimmte. Was mich mit Vorfreude erfüllte, glich nicht den Schmetterlingen in meinem Bauch, die vor ein paar Monaten über ein Lächeln in Aufruhr geraten waren. Es war viel weniger als das. Und gleichzeitig viel mehr. Und dennoch viel harmloser. Mein Herz war nicht aufgewühlt, es hatte lediglich eine gewisse Grundwärme entwickelt, was Louis betraf.
Stimmt, bezeugte mein Herz. Bin null aufgeregt. Aber bin auch nicht mehr sauer.
Wenn ich einen Kalender gehabt hätte – und wenn ich gewusst hätte, welches Datum genau war – hätte ich mir diesen Tag mit Sicherheit angestrichen und mit einem roten Ausrufezeichen versehen: Der Tag, an dem Louis lachte.
Wir ernteten gerade den zweiten Tag Pflaumen, als mir ein schriller Schreckensschrei entwich. Ich ließ meinen Korb fallen, machte einen Satz zurück und kletterte rückwärts ein Stück die Brüstung meiner Hebebühne hoch, um möglichst viel Abstand zwischen den Korb und mich zu bringen. Trotz der Hitze war mir plötzlich eiskalt und ich kämpfte mit Übelkeit.
„Was ist denn los?“, ertönte Louis' völlig erstaunte Stimme hinter mir.
Ich zeigte mit zitterndem Finger auf meinen Korb und rutschte noch ein bisschen weiter weg davon.
„Das ist ein Korb“, teilte er mir verständnislos mit. „ Dein Korb. Mit dem arbeitest du jetzt schon drei Wochen zusammen.“ Er sah nach oben, wie um die Intensität der Sonne und die Möglichkeit eines Sonnenstichs zu überprüfen.
„Nein, da drin!“, brachte ich mühsam hervor.
„Pflaumen?“
Ich schüttelte panisch den Kopf. Er murmelte etwas von Hysterie und Wahnsinn und kletterte auf meine Plattform, um den Inhalt meines Korbes zu überprüfen. Ich konnte nicht hinsehen und kletterte meinerseits auf seine Hebebühne.
„Also, hier befinden sich Pflaumen, Pflaumen, Pflaumen, ein Blatt! Nicht sauber gepflückt!“, rügte er.
Ich schüttelte wieder den Kopf. Ein Blatt warf mich nicht so aus der Bahn. Dazu brauchte es schon einen –
„Grashüpfer?“, fragte er und hielt die entsprechende Pflaume mit dem ekligen kleinen grünen Tier in die Höhe.
„Uäääh, mach's weg!“, schrie ich.
Und das war der Moment, in dem Louis loslachte, das erste Mal in meiner Gegenwart, laut, ehrlich und ohne Sarkasmus. Und eigentlich sehr sympathisch, nur dass ich mich in dem Moment nicht darauf konzentrieren konnte, weil ich von der Hebebühne absprang, um mich möglichst weit von dem Untier zu entfernen. Unten wartete ich in gebührender Entfernung missgelaunt die Lachsalve ab. Dass eine Amazone vor einem so kleinen Insekt Angst haben konnte, war ihm anscheinend ein Rätsel und gab Anlass für extreme Heiterkeit.
„Jetzt tu dieses Ding endlich weg!“, rief ich genervt nach oben, während er die Heuschrecke zu überzeugen versuchte, von der Pflaume auf seinen Zeigefinger umzuziehen. Jedoch – wie es nun mal bei Grashüpfern der Fall ist und weswegen ich die Biester auch so hasse – dieser zog es vor, mit einem plötzlichen Riesensatz davon zu springen. Zum Glück hüpfte er nicht in meine Richtung, aber ich erschrak trotzdem.
„Jetzt ist er weg“, teilte Louis mir überflüssigerweise mit und bemühte sich, sein Grinsen in den Griff zu bekommen.
Einen entsetzlichen, zauberhaften Augenblick lang fühlte ich mich in die Vergangenheit versetzt, an diesen Frühlingstag im Morgengrauen, an dem sein Lächeln mir gegolten hatte, an dem er mich an- und nicht ausgelacht hatte, und mein Herz geriet für eine Sekunde lang aus dem Takt. Mit Mühe löste ich mich aus meiner nostalgischen Erstarrung und zwang meine Augen und Beine dazu, sich in Bewegung zu setzen.
„Ja, danke“, grummelte ich grantiger, als nötig gewesen wäre, aber ich hatte das dringende Bedürfnis, meinen schwachen Moment zu kompensieren. Doch Louis schien ihn ohnehin auf meine Heuschreckenangst zu schieben und winkte ab.
„Jetzt hast du mich schon zum zweiten Mal gerettet“, sagte ich unvermittelt, als ich wieder auf die Hebebühne stieg, und bereute meine Worte schon, während ich sie aussprach. Die Ereignisse damals im Wasserkraftwerk und ihre Folgen waren so schön eingetütet und luftdicht verstaut und ich hatte im Grunde überhaupt keine Lust, darüber zu reden.
Warum tust du es dann? Warum kommst du jetzt mit der alten Geschichte an? Erwartest du, dass er dir erklärt, warum er so unfreundlich reagiert hat, nachdem du ihm die Vorräte zurückgegeben hast? Ich war mit
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