Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
meinem Gesicht nahm, als ich Aretos süffisanten Triumph zu Verwirrung zerfallen sah. Die Haselmaus musterte mich skeptisch aus verengten Augen. „Mist“, setzte ich wenig glaubwürdig hinzu und sah zu, dass ich weiterkam.
Kapitel 15
„Woher bekommt ihr eigentlich das Essen?“, rang ich mich am nächsten Vormittag durch zu fragen.
„Für unsere Arbeit erhalten wir Marken. Die können wir dann umtauschen in Nahrung, Getränke, Kleidung und so weiter“, erklärte Louis.
„Und ist es fair?“, bohrte ich weiter. „Reicht das, was ihr bekommt?“
Deutlicher wollte ich auf seine kärgliche Mittagsration nicht anspielen.
„Fair!“ Er lachte sarkastisch, besann sich dann aber auf meine Frage. „Ja, im Grunde genommen reicht es. Die Rationen, die wir erhalten, sind aber auch abhängig davon, wie viel insgesamt da ist. Wenn die Ernten schlecht sind, bekommen wir auch weniger.“ Er sah sich zu mir um. „Du fragst das alles, weil du Angst hast, dass ich verhungere und du den Rest alleine pflücken musst, stimmt's?“
„So ungefähr“, gab ich zu und betrachtete den Apfel in meiner Hand ganz genau, weil ich Louis nicht in die Augen sehen wollte. „Vielleicht solltest du ab und zu auch etwas Obst essen. Vitamine sind wichtig!“ Ich warf ihm den Apfel zu.
Er fing ihn. „Wir dürfen uns nicht einfach was davon nehmen“, und warf ihn mir zurück.
„Warum?“, fragte ich verständnislos.
„Sonst würde von der Ernte nicht viel überbleiben, weil sich alle mit Vorräten eindecken und den Rest im Umland gegen andere Dinge eintauschen würden.“
„Dann schenke ich ihn dir“, beharrte ich und pfefferte den Apfel wieder zurück.
„Das darfst du nicht.“ Der Apfel landete wieder bei mir.
„Es wird keiner erfahren“, sagte ich verschwörerisch und schmiss den Apfel zurück.
Louis legte den Apfel entschieden in seinen Korb und nahm die Arbeit wieder auf.
„Mann“, schnaubte ich und begann zu pflücken – und aus Protest mein gestriges Selbstgespräch wieder aufzunehmen: „Ell, manchmal frage ich mich, warum manche Leute wider Sinn und Verstand so stolz sein müssen. – Ja, ist mir auch ein Rätsel. Aber wenn dann der Skorbut um sich greift, ist das Geschrei groß.“
„Was weißt du denn über Skorbut?“, unterbrach Louis mein Gebrabbel.
Ich blickte mich nochmal um. „Oh, ich weiß einiges über Skorbut. Noch mehr weiß ich allerdings über Cholera und Typhus. Aber das ist eine traurige Geschichte, mit der ich dein vitaminarmes Obstpflückergehirn nicht belasten möchte.“
Das war die Retourkutsche dafür, wie er mich gestern abgefertigt hatte. Er sagte nichts dazu. Ich sah ihn zwar nur von hinten, aber ich bemerkte, dass sich sein Ohr ein paar Millimeter nach oben schob, was gemeinhin passiert, wenn Leute grinsen. Oder wenn sie Grimassen schneiden, weil sie tödlich genervt sind. Naja.
Es gelang uns an diesem Tag tatsächlich, mit den Äpfeln fertig zu werden, und gegen die Mittagszeit brachten wir die Erntemaschine und unsere Pferde auf die andere Plantage hinüber. Anschließend machten wir Pause und ich drückte Louis erneut mein am Morgen zubereitetes Zweitsandwich aufs Auge. Diesmal blieb ich bei ihm und den Pferden stehen. Wahrscheinlich war das auch mal wieder unpassend, aber ich hatte wohl das Recht, meinen Proviant dort zu verzehren, wo ich es wollte. Ich betrachtete unsere friedlich grasenden Aspahet.
„Wie heißt er?“, fragte ich zwischen zwei Bissen und nickte in Richtung des großen Jütländers.
„Boreas“, sagte er und setzte nach einer Weile hinzu: „Ihr würdet gut zusammenpassen – vom Namen her, meine ich.“
„Wieso?“
„Boreas ist der Nordwind in der griechischen Mythologie, einer der vier Windgötter“, erklärte er. „Der Name passt, denn er wurde in der Kunst oft als Pferd dargestellt. Und woher dein Name kommt, wirst du wohl wissen.“
Ich nickte. Soviel hatte ich mir immerhin schon angelesen. Aella war eine der Amazonen gewesen, die mit Herakles um den Gürtel der Basilissa Hippolyta gekämpft hatte, aber unterlegen war – angeblich! Ihr Name bedeutete Wirbelwind . Insofern hatte Louis recht. Nordwind und Wirbelwind wären bestimmt ein gutes Team.
„Aber woher weißt du das alles?“, fragte ich Louis. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Amazonen ihn am Unterricht hatten teilnehmen lassen.
Er zuckte die Schultern.
„Wo bist du in die Schule gegangen?“, fragte ich präziser.
„In Goldvelt, ein paar Kilometer weiter. Dort ging
Weitere Kostenlose Bücher