Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
Kutschen und Karren mit allem beluden, was uns unterkam – Geschirre, Fellpflegeutensilien, Seile, Zaumzeug, Strohballen, Laternen, Sättel, Decken – und hastig nach draußen schoben.
Doch irgendwas stimmte schon wieder nicht. Wir waren zu wenige.
„Wo ist Ces?“, fragte ich Munin, der Verne in eine der Decken hüllte.
„Unten …“
„Unten???“
„Er versucht, über das Zwischengeschoss in den Keller zu kommen und die Ware zu retten. Der Tresorraum ist feuerfest.“
„Sollten wir dann nicht warten, bis der Brand vorbei ist?“
„Wenn das Kaufhaus abgebrannt und zusammengebrochen ist, kommen wir vielleicht nicht mehr ran.“
Ich drehte mich um und sah Nia gerade noch auf der Treppe verschwinden, die ins Zwischengeschoss der U-Bahn führte. Fluchend lief ich hinterher. Doch ich wusste ja selbst, wie wichtig die Ware für uns war.
Der Keller stand nicht in Flammen, aber ich vernahm das Brausen der Feuersbrunst, die nur wenige Meter über mir wütete, getrennt von der bedenklich knarzenden Decke. Rauchschwaden trübten den Lichtkegel meiner Taschenlampe. Ces hatte sich ziemlich resolut einen Weg durch das Gerümpel gebahnt, ich musste nur der Schneise im Wust folgen, die mich zur offenen Tür des Lagerraums brachte.
Kopflos half ich Nia und Ces, indem ich Medikamente in Leinensäcke stopfte, dann kam Will dazu, der mehr Überblick hatte, was wichtig und wertvoll war und was nicht. Binnen einer Stunde hatten wir einen Großteil der Ware und Arzneimittel ins Zwischengeschoss und von dort die Treppen hinauf befördert. Eine Kutsche, zwei Planwägen und drei Karren stopften wir voll, das Federvieh obendrauf, alles Übrige luden wir den Aspahet auf.
Als all das geschehen war, hielten wir inne, etwas ratlos, wie Schauspieler, die nicht nur ihren Text, sondern die gesamte Handlung ihres Stücks vergessen hatten. Ich musterte meine Mitstreiter.
Ces hatte Rußspuren im Gesicht und stierte müde vor sich hin, Nia und Munin lehnten erschöpft an einem Karren. Im Widerschein des brennenden Kaufhauses konnte ich Vernes apathisches Gesicht sehen, den Munin notdürftig verarztet und in einem der Planwagen untergebracht hatte. Chiara war am Boden zerstört und kaum ansprechbar – vielleicht sprach sie aber lediglich mit mir nicht, weil ich ihrer Meinung nach daran schuld war, dass ihr Zuhause in Flammen stand. Und das war ich auch. Hätten wir die Lieferung übergeben, hätte der Orden Arcadia nicht in Brand gesteckt.
Sie werden dich hassen, sagte mein Herz. Sobald sie ihre Schockstarre überwunden haben und wirklich begreifen, was geschehen ist, werden sie dich alle hassen.
Nur Will schien immer noch voller Tatendrang zu sein; er grinste mir zu, als mein Blick den seinen traf. „Wir haben es geschafft.“
Ich fühlte keinerlei Genugtuung.
„Schau doch nicht so.“ Er nahm mich in den Arm, wiegte mich sanft hin und her und ich wehrte mich nicht dagegen, weil es den Teil von mir einlullte, der vorhin aus Eifersucht in Aufruhr geraten war. Ich legte meine Wange auf seine Brust und spürte, wie die Anspannung der letzten Stunden, die Verantwortung, aber auch die Kraft aus mir herausflossen. Wenn er mich in diesem Moment losgelassen hätte, wäre ich Gesicht voran aufs Pflaster gefallen.
„Wir haben Verne und wir haben die Ware. Das war es, was wir wollten, oder?“
Ich schaffte es zu nicken.
„Wir haben kein Zuhause mehr“, sagte Chiara tonlos.
„Wir finden ein neues.“
„Wo?“, wollte sie anklagend wissen.
Ja, wo? Halina fiel mir ein, Pandora und die verlassenen Nachbargrundstücke neben dem Haus, in dem ich mal gelebt hatte …
„Zuerst bei Shirokko“, beschloss Will. „Dann sehen wir weiter.“
„Nein. Hier bleibe ich keine einzige Nacht.“ Chiara verschränkte die Arme und musterte die Fassade der Fabrikhalle voller Abscheu.
Ich war drauf und dran, die Nerven zu verlieren, weil die Diskussion schon eine ganze Weile andauerte und ich einfach nur schlafen wollte. Mein zurückgekehrtes Verantwortungsbewusstsein erlaubte es jedoch nicht, dass ich Chiara hier draußen stehen ließ. Sicher, ich konnte sie verstehen. Der Ort und vor allem seine Bewohner waren alles andere als vertrauenserweckend. Aber es war nicht so, als ob wir eine Wahl gehabt hätten. Sobald unsere kleine Karawane den Dunstkreis des lodernden Kaufhaus-Infernos verlassen hatte, hatten wir die eisige Winterkälte deutlich zu spüren bekommen. Eine Nacht im Freien würden wir keinesfalls überstehen.
Munin redete ihr
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