Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
sämtliche Einsatzkräfte brauchte, Aufstände, Überfälle, Schießereien …“
Die Vorstellung von Louis in den Wirren einer Straßenschlacht ließ mich schaudern und plötzliche, nachträgliche Angst um ihn krampfte sich kalt um meinen Magen. Meine ursprüngliche Furcht, dass ihn der harte Winter das Leben kosten würde, kam mir mit einem Mal fast lächerlich vor, verglichen mit den Gefahren, denen er sich in Wirklichkeit da draußen entgegenstellte.
„Frierst du?“, fragte er besorgt.
Ich schüttelte den Kopf und schüttelte zugleich die düsteren Bilder aus meinen Gedanken. Louis konnte auf sich aufpassen. Ich hatte Seite an Seite mit ihm gegen die Vatwaka gekämpft, die Themiskyra zu überrennen versucht hatten, ich wusste, er war geschickt und konnte sich verteidigen und was ihm an Finesse fehlte, weil er im Gegensatz zu mir weder Schwertkampf- noch Taekwondo-Training genossen hatte, machte er an Stärke wett. Dennoch verstand ich nicht …
„Wieso hast du dich überhaupt bei Charondas’ Erben gemeldet? Überall habe ich dich gesucht, nur bei ihnen nicht. Ich hätte gedacht, dass du die Freiheit genießt, anstatt dich gleich wieder in so … gefestigte Strukturen und Hierarchien zu begeben.“
Louis drehte sich auf den Rücken und starrte an die hohe, mit inzwischen erodiertem Stuck verzierte Decke. „Es hat sich einfach so ergeben. Mir wurde ziemlich schnell klar, dass sich in der Stadt etwas ändern musste, und ich fand gut, dass jemand zumindest versuchte, die Ordnung wiederherzustellen. Und …“, er zögerte, „ich wollte Citey wieder zu einem Ort machen, an dem du vielleicht irgendwann mit mir würdest leben wollen."
Na, wenn das nicht mein Herz wärmte. Doch etwas klopfte an die Hintertür meines Bewusstseins, rüttelte am Glück des Moments. Ich hatte es lange ignoriert, inzwischen Stunden, Monate. Ich wollte es wegscheuchen, aber je länger ich es missachtete, desto beharrlicher verlangte es Einlass.
„Vor ein paar Monaten gab es eine Explosion in der Nähe des Siegesplatzes“, würgte ich schließlich hervor, obwohl sich alles in mir gegen dieses Thema sträubte.
„Ja?“ Er schnaubte. „Wo nicht?“
Ich sah ihn auffordernd an. „Nahe der östlichen Fußgängerzone. Ein Buchladen ging in Flammen auf.“
Sag, dass du keine Ahnung hast, wovon ich spreche.
Sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich. „Ich erinnere mich.“
Nein, sagte mein Herz. Unmöglich.
„Ein Mann verlor sein Leben. Obwohl er verzweifelt darum bettelte. Außerdem verlor er den Großteil seines Gesichts und sein Gehirn. Weil ihm jemand kaltblütig den Kopf weggeschossen hat.“
Louis sah mich einen Augenblick lang verwirrt an, dann verhärtete sich seine Miene, wurde zum Gesicht eines Mannes, dem ich die Tat ohne zu zögern zutraute. Den ich nicht kannte. Als er ruckartig aufstand und mir den Rücken zukehrte, wünschte ich mir nichts mehr, als die Sache nie angesprochen zu haben.
Zu spät, bemerkte mein Verstand. Aber besser jetzt als in zehn Jahren.
Das ist nicht mein Louis.
„Kaltblütig?“ Seine Stimme klang verächtlich. „Warst du dabei?“
„Quasi, ich …“
„Warst du dabei?“, wiederholte er ungeduldig. Er ging zu einer schiefen Holzkommode, ohne mich anzusehen, wühlte darin herum. „Warst du dabei, als die Kinder von den Straßen verschwanden, eins nach dem anderen, über Wochen hinweg? Als wir nach endlosen, erfolglosen Suchaktionen und Razzien endlich den entscheidenden Tipp von einem Informanten bekamen? Als wir mit einem perfekt ausgeklügelten Plan dort anrückten, nur damit dieser … bedauernswerte Mensch eine Minute davor alles in die Luft blasen konnte? Alle Indizien, seinen Stützpunkt, seine Ware?"
Ware? Mir lief ein Schauder über den Rücken. Louis drehte sich zu mir um und warf eine dicke Papiermappe vor mir aufs Bettzeug, die er aus einer Schublade genommen hatte. Weitere kalte Schauder kamen hinzu, während ich die losen Papiere durchblätterte, die den Fall sehr – für meinen Geschmack zu detailgetreu dokumentierten.
Doch, er ist es, sagte mein Herz und ich blickte wieder zu Louis auf.
Ich hätte es nicht anders gemacht.
„Er hatte kein Bandenabzeichen“, war alles, was ich zu meiner Verteidigung hervorbringen konnte. Dumm, ich weiß. Genauso wenig, wie man alle Menschen mit Bandentattoo einbuchten konnte, konnte man davon ausgehen, dass alle ohne Bandentattoo gute Menschen waren.
Louis lachte hart auf. „Wo hast du danach gesucht? Auf seiner Brust offenbar
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