Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
ziellos im dichten, unwegsamen Grün umher, erkletterte etliche Böschungen, lief stundenlang in lehmigen Kiesbetten herum und holte mir mehr als einmal nasse Füße. Ich war der Albtraum einiger Biberfamilien und ganzer Entenkolonien. Ich lief immer schneller und fühlte mich dennoch immer gehetzter.
Am siebten Tag war ich fertig mit den Nerven. Ich wusste nicht, wo ich noch suchen sollte. Die Wildnis hier war der letzte Punkt auf meiner Riparbaro-Liste gewesen.
Ich bin durch , stellte ich entmutigt fest.
Über einige tote Baumstümpfe gelangte ich bis zur Mitte des Hauptflusses, zu einem gischtumschäumten Felsen, der einen Meter aus dem Wasser herausragte. Ich stellte mich auf den Stein und starrte der Strömung nach. Äußerlich reglos wirbelte in meinem Inneren alles durcheinander.
Ganz ruhig, sagte mein Verstand.
Aber ich war nicht mehr fähig zu Ruhe.
„Louis!!!“, schrie ich, so laut ich konnte, und hörte, wie meine Stimme dabei vor Panik umkippte. Panik davor, dass ich ihn tatsächlich nicht finden würde. Der Schall flog das Flussbett entlang und verklang ohne Echo.
Ohne Antwort.
Benommen ließ ich mich auf den Stein sinken. Ich schloss die Augen und praktizierte meine alte Übung wieder, schaltete Verstand und Herz ab und spürte dem Leben um mich herum nach. Ich dachte, ich könnte es fühlen, wenn er irgendwo hier wäre. Aber obwohl ich tausende von kleinen Leben um mich herum ertasten konnte, mehr noch als im Wald bei Themiskyra oder auf der Wiese vor der alten Mühle, entdeckte ich von Louis keine Spur.
Die Ernüchterung fegte meinen Kopf leer und legte sich erdrückend schwer auf meine Brust. Mir war nicht klar gewesen, wie viel Hoffnung ich mir gemacht hatte, wie sicher ich gewesen war, ihn in Riparbaro zu finden. Und zum ersten Mal ließ ich bewusst den Gedanken zu: Was, wenn er nicht hier ist?
Ich, mein Herz, sogar mein Verstand waren unfähig, eine Antwort zu formulieren.
Wie vom Tanklaster der Realität überfahren, schleppte ich mich ein paar Stunden später zum Baumhaus zurück. In meinem Kopf drehte sich, dissonant wie die Endlosschleife des Disk-Menüs, unentwegt der Satz herum: Er ist nicht hier.
Ich fing das Schwert, ohne nachzudenken. Mir war nicht mal bewusst gewesen, dass ich es auf mich zufliegen gesehen hatte, da hatte ich es schon in der Hand. Amazonenreflexe. Aber ich war falsch gepolt. Innen Ruhe und außen Agilität hieß die Devise beim Schwertkampf und nicht Innen Panik und außen Lethargie . Das funktionierte nicht. Und das bekam ich nun zu spüren.
Im Gegensatz zu mir war Gio hochkonzentriert und voller Energie. Er hatte offenbar schon auf mich gewartet und mich kurz vor den Blumenbeeten abgepasst, in der Hoffnung, mich mit seinem Angriff zu überrumpeln. Was er auch ziemlich gut hinbekam.
Sonst war es mir gelungen, seine Bewegungen vorauszusehen, jetzt hinkte ich immer einen Schritt hinterher. Ich kam gar nicht dazu, meine üblichen Strategien anzuwenden, sondern war von der ersten Sekunde an nur damit beschäftigt, mich zu verteidigen. Vermutlich hätte ich den Kampf einfach abbrechen sollen, anstatt mich von ihm quer durch den Garten hetzen zu lassen, aber der Gedanke kam mir gar nicht. Und sobald Gio merkte, dass er die Chance auf einen Sieg hatte, setzte er alles daran, ihn möglichst schnell Wirklichkeit werden zu lassen, bevor das Blatt sich wieder wenden konnte.
„Wer wird sich nun wundern?“, zog er mich auf. „Haltung, Mondflüglige! Und nicht gar so verkrampft!“
Doch es waren nicht nur meine rotierenden Gedanken, die mich lähmten, ich war auch erschöpft vom tagelangen Laufen und Klettern. Letztendlich war es die Kante einer Steinplatte, die mich straucheln ließ. Ich riss noch mein Schwert hoch und blockte Gios Hieb ab, verlor dabei aber die Balance. Rückwärts stolperte ich über die Schwelle des Gartenhäuschens, fiel durch die offenstehende Tür und knallte mit dem Hintern auf den Holzboden. Mit der freien Hand fing ich den Sturz größtenteils ab, doch die andere Hand hatte es mir in einem so ungünstigen Winkel verdreht, dass ich nicht mehr genug Kraft aufbrachte, Gios Schwert von mir wegzudrücken.
„Ha!“, rief er, glühend vor Anstrengung und Triumph, als ich meine Waffe schließlich einfach fallen ließ. Scheppernd schlug sie auf dem Boden auf und wurde von Gio mit einem Fußtritt außer Reichweite befördert. „Haaa!“ Voll Genugtuung führte er sogar so etwas wie einen kleinen Freudentanz auf, aber ich sah es nicht
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