Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
aneinander.
Wir waren insgesamt sechs Tage unterwegs, bis wir die ersten Trabantenstädte der ehemaligen Metropole erreichten. Einen Großteil der Strecke hatten wir auf der Autobahn zurückgelegt, auf die wir mehr aus Zufall gestoßen waren. Obwohl der Asphalt aufgebrochen war und immer wieder Autowracks unseren Weg säumten, kamen wir so wesentlich schneller voran. Außerdem konnten wir uns auf diese Weise nicht verirren, denn riesige, von Wind und Witterung gezeichnete Schilder wiesen uns den Weg.
Nach all den Wochen im dichten Grün fühlte ich mich wie ausgeliefert auf dem glühenden, breiten Streifen, auf dem uns jeder weithin sehen konnte. Doch nichts geschah. Es begegneten uns diverse Landwirte, eine Familie mit einem Planwagen, ein Wanderprediger auf einem Maultier, der uns für ein in wilder Ehe lebendes Paar hielt und uns die bevorstehende Hölle in drastischsten Ausschmückungen schilderte, und eine Bande von mageren Sieben- bis Dreizehnjährigen, die sich in einer ehemaligen Raststätte niedergelassen hatten. Und nicht mal diese machten uns Ärger, sondern versuchten lediglich, Ces zu überreden, seine Taschenlampe gegen eine Handvoll schrumpeliger Rüben einzutauschen. Ohne Erfolg. Ich schoss ihnen einen Truthahn, weil sie mir leidtaten, dann zogen wir weiter.
Am Ende des sechsten Tages konnten wir die Silhouette von Citey in der Ferne erkennen, deren hohle Wolkenkratzer sich düster vom brennenden Abendhimmel abhoben. Früher hatte die Metropole die Nacht erhellt, jetzt verschwand sie einfach, als die Dämmerung hereinbrach. Erst nach und nach tauchten mit der Dunkelheit ein paar winzige, flackernde Lichtpunkte auf.
Wir hatten gedacht, dass wir es an diesem Reisetag noch bis in die Stadt schaffen würden, doch dann kamen wir an einem Schild vorbei, das uns mitteilte, dass uns immer noch fünfundzwanzig Kilometer von der Stadtgrenze trennten, und es war schon weit nach Mitternacht.
„Und jetzt?“, fragte Ces.
„Hm.“ Nur ein schmaler Mond erhellte die Finsternis und ich war müde, aber alles in mir drängte danach, endlich anzukommen, mich endlich wieder auf die Suche nach Louis machen zu können. Andererseits fühlte ich alleine bei der Erinnerung an die Zustände in Citey und an das, was ich dort erlebt hatte, Grauen in mir aufsteigen, und wollte nichts lieber, als einfach umdrehen und der Stadt für immer den Rücken kehren.
Louis! schrie mein Herz auf.
Schlafen! sagte mein Verstand. Dann kannst du dem Moloch wenigstens wachen Geistes entgegentreten.
„Ich weiß nicht, ob wir jetzt noch einen guten Lagerplatz finden“, gab ich zu bedenken.
„Das geht uns in Citey genauso.“
„Also willst du jetzt eine Rast einlegen und erst morgen weiterreiten?“
„Nachdem wir nicht genau wissen, was uns erwartet, ist es wahrscheinlich sinnvoller zu warten, bis wir zumindest wieder etwas sehen können.“
„Okay.“ Normalerweise hätte ich schon aus Trotz darauf bestanden, weiterzureiten, nur weil Ces das Gegenteil wollte, jetzt war ich jedoch dankbar, dass er mir die Entscheidung abnahm.
Wir ließen die Pferde über die Leitplanke springen und begaben uns in den Wald hinein, der beiderseits die Straße säumte. Ich ritt voran und da ich fast nichts sehen konnte, überließ ich es Hekate, die Geschwindigkeit und den Weg zu wählen. Auch in dem künstlich angelegten, früher sorgsam gepflegten Forst, in dem jeder Baum im selben Abstand zum nächsten stand, hatte die Natur ganze Arbeit geleistet. Es dauerte eine Weile, bis meine Aspahi so etwas wie einen Trampelpfad gefunden hatte, dem wir ein paar Minuten folgten.
Hinter mir hörte ich es rascheln. Ces fluchte.
„Was ist?“, fragte ich alarmiert.
„Zieh bloß den Kopf ein.
Ich lachte, duckte mich aber sicherheitshalber näher an Hekates Hals.
Plötzlich raschelte es wieder, diesmal aber vor mir, und ehe ich reagieren konnte, wieherte meine Aspahi auf und stieg. Ich klammerte mich fest, um nicht abgeworfen zu werden, und schrie Ces eine Warnung zu. Mein Blick flog durch die Dunkelheit, aber ich sah nur undefinierbare, schnelle Bewegungen, ohne Details ausmachen zu können. In der Sekunde, in der Hekate wieder mit allen vier Hufen auf dem Boden stand, spürte ich, dass jemand an meinem Stiefel zerrte. Ich verpasste dem Angreifer einen heftigen Tritt und riss mein Schwert aus der Scheide. In der Bewegung schlug ich mit seinem Griff jemanden k.o., der an meinem Gepäck herumhantierte, während ich mit einem weiteren um Hekates
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