Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
Bäumen.
Rian nahm einen tiefen Zug der von süßem Blütenduft erfüllten warmen Luft. Wissen kaufen. Vielleicht konnte sie an diesem seltsamen Ort auch Wissen über die Trinität finden? Und dann waren da noch Pirx und Grog. Die beiden Kobolde hatten keine Ahnung, wohin es sie verschlagen hatte. Besonders Grog würde inzwischen vor Sorge sicher umkommen. Selbst ihr war ein wenig mulmig bei dem Gedanken, dass sie völlig alleine in einer so fremden Stadt war. Aber vielleicht fand sich irgendwo unter den Angeboten Singapurs auch eine Möglichkeit, mit den beiden Kontakt aufzunehmen.
Sie musste es auf jeden Fall versuchen.
Stöhnend rieb Rian ihren Rücken und streckte sich, als sie an diesem Punkt ihrer Gedanken angelangt war. Der Schock und die Wut über den kleinen Mann hatten kurzzeitig ihre Lebensgeister geweckt, doch nun spürte sie die Folgen ihres Sturzes in jedem Knochen, und ein wenig mehr Schlaf auf der grünen Wiese erschien ihr äußerst reizvoll. Doch sie wollte sich erst dann eine Pause gönnen, wenn Pirx und Grog auf dem Weg zu ihr waren.
»Schauen wir zumindest einmal, was dieses ›Suntec‹ hergibt«, murmelte sie. »Und dann sehen wir weiter.«
Rian entschloss sich dazu, die Annehmlichkeiten der Menschenwelt zu nutzen, und heftete hastig den Schatten an ihre Schuhe. Er zappelte ein wenig, doch schließlich folgte er dem, was der Zauber von ihm verlangte – getreu dem Lichteinfall in der Menschenwelt einen Schatten zu erzeugen, den eine Elfe nicht warf.
Rian folgte der Promenade bis zu deren Ende, wo sie neben dem von dem Elfen erwähnten Theaterzentrum einen Taxistand fand.
»Suntec City Mall«, sagte sie, als sie in das erste Fahrzeug einstieg.
»Galeria, Tropics oder Entertainment?«
Verblüfft sah Rian den Fahrer an. »Einfach … zur Mitte.«
»Gut. Also Tropics.«
Die Fahrt dauerte nicht lange, doch sie nahm Rians ganze Aufmerksamkeit gefangen, insbesondere auf dem letzten Stück. Sie fuhren auf einer von Bäumen gesäumten Allee auf einen Brunnen zu, bei dem ein riesiger roter Ring von vier gebogenen Stützen gehalten wurde. Daraus ergoss sich das Wasser in unzähligen Einzelstrahlen hinunter in ein Becken. Fünf Hochhäuser griffen ringsum in den Himmel, und riesige flache Hallen schlossen sich daran an. Zwischen den Gebäuden befanden sich farbig gepflasterte Plätze und Reihen von Bäumen und Blumen, die alles auflockerten.
»Nachts ist es viel schöner«, sagte der Fahrer. »Da ist alles farbig beleuchtet. Der Brunnen, die Bäume, die Hochhäuser …«
Er hielt an einem Taxistand direkt vor dem Tropics Atrium der Suntec City Mall. Rian dankte, zahlte mit einigen Blättern, die sie im Park mitgenommen hatte, und stieg aus. Für einen Moment blieb sie einfach nur stehen und nahm den Anblick in sich auf. Dann ging sie langsam auf das riesige Einkaufszentrum zu, das sich nach Auskunft des Fahrers nach beiden Seiten hin über insgesamt mehr als 80.000 Quadratmeter erstreckte – eine Fläche, die Rian sich kaum vorstellen konnte.
Was die Elfe vor und in dem Einkaufszentrum sah, verwirrte sie zutiefst. Niemals zuvor hatte sie eine Gegend besucht, in der die Welten ungetrennt aufeinander lagen, und die Doppelbilder, die auf sie einstürmten, ließen sich nur schwer verarbeiten.
Die menschliche Seite war stärker vertreten, da diese Stadt eine Metropole von großer Bedeutung war und daher entsprechend viele Geschäftsleute und Reisende anzog. Dazwischen gingen jedoch Elfenwesen jeder Art dem Handel nach, Mischwesen, Menschenartige wie der, den sie im Park getroffen hatte, aber auch solche, die wie sie selbst kaum von Menschen zu unterscheiden waren. Vermutlich handelte es sich um Grenzgänger, die von dieser Seite aus den Warenaustausch vornahmen.
Die meisten Menschen nahmen die Andersweltler, mit denen sie die Stadt teilten, überhaupt nicht wahr und ebenso wenig deren Stände und Geschäfte, die sich überall zwischen und in ihre eigenen Läden schoben. Sie flanierten oder eilten durch die Mall und wussten wohl selbst nicht, warum sie an manchen Stellen plötzlich auswichen oder kurz stehen blieben.
Manche aber reagierten auch bewusst, wenn Elfen vorbeikamen, und während Rian zwischen den Geschäften der beiden Seiten hindurchschlenderte, konnte sie mehrfach beobachten, wie sowohl Elfen bei Menschen als auch Menschen bei Elfen kauften. Rian ließ sich zunächst einfach nur treiben, betrachtete die Geschäfte und die Leute und versuchte, mit der Dualität zurechtzukommen, die
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