Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
keineswegs. Er trug die dickste Zahnspange in der achten Klasse und sehnte sich verzweifelt danach, das Ding endlich loszuwerden. Vielleicht nächsten Monat, vertröstete ihn der Kieferorthopäde immer wieder.
» Teddy«, murmelte er vor sich hin und war froh, dass keiner seiner Freunde das je gehört hatte. Es war ein Name aus seiner Babyzeit, den nur seine Mutter noch verwendete. Selbst Mr. Boone nannte ihn mittlerweile » Theo« oder, wenn er seiner Missbilligung Ausdruck verleihen wollte, » Theodore«. Während Theo auf seinem Rad dahinflitzte, schauderte ihn bei dem Gedanken, was er sich von seinen Freunden würde anhören müssen, falls diese jemals von seinem Kosenamen erfuhren. Dreizehnjährige kannten bei Spitznamen kein Pardon, und bisher war Theo ohne davongekommen. Dagegen wurde der hellhäutige, sommersprossige Fred Jasper schon so lange Sprosse gerufen, dass ihn jeder nur unter diesem Namen kannte. Sprosses bester Freund, Brandon Taylor, hatte mit zehn einen Ochsenfrosch mit einem Steakmesser seziert und hieß seither nur noch Frosch. Sprosse und Frosch waren immer gemeinsam unterwegs. Der arme Scott hieß Butts, was so ähnlich klang wie das englische Wort für Hinterteil und unerschöpflichen Stoff für die absurdesten und geschmacklosesten Spitznamen und Scherze lieferte. Kaum ein Achtklässler wurde mit seinem richtigen Namen gerufen.
Theo hatte seine Mutter mehrfach gebeten, ihn nicht mehr Teddy zu nennen, unter anderem weil er Angst hatte, dass es jemand hörte. Sie lächelte dann immer nur, als wäre das ihre Privatsache. Sie hatte ihn zur Welt gebracht, liebte ihn wie niemand sonst, und wenn ihr erster Name für ihn Teddy gewesen war, dann würde sie den wahrscheinlich bis ans Ende aller Zeiten verwenden. Aber sie würde es für sich behalten. Zumindest hoffte Theo das inständig.
Theo winkte und lächelte Mr. Nunnery zu, einem netten alten Herrn, der es fertigbrachte, stundenlang bewegungslos auf der Veranda zu sitzen. Die Luft war klar und kühl und die Wettervorhersage für das Wochenende perfekt; weit und breit kein Regen in Sicht. Im vergangenen Monat hatte der Trupp in der Nähe indianischer Grabhügel in einem Nationalpark gezeltet, und es hatte drei Tage ununterbrochen geregnet. Es war ein interessantes Erlebnis gewesen, aber wenn der Zeltplatz zum Schlammloch wird, das Feuerholz so nass ist, dass es nicht mehr brennt, die Lebensmittel durchweichen und ungenießbar sind und keiner mehr einen trockenen Faden am Leib hat, dann ist es Zeit, nach Hause zu fahren.
Der Bus war früher im üblichen Schulbusgelb gestrichen gewesen und hatte Kinder zum Unterricht und wieder nach Hause gebracht. Jetzt war er dunkelgrün lackiert, mit weißen Kontraststreifen, und auf beiden Seiten prangte die Aufschrift » Trupp 1440– Regionalverband Old Bluff«. An Bord befanden sich achtunddreißig Pfadfinder in vollständiger Kluft, die sich unglaublich darauf freuten, von zu Hause und aus der Stadt wegzukommen. Am Lenkrad saß Major Ludwig, der unumstrittene Anführer der Bande, und nachdem er die Anwesenheit kontrolliert und die Tür geschlossen hatte, hallten laute Beifallsrufe durch den Bus. Es war Freitagnachmittag, schon fast halb fünf, und bis zum Lake Marlo brauchten sie zwei Stunden. Auf den hinteren Bänken stapelte sich die Campingausrüstung, die unter den wachsamen Blicken des Majors sicher verstaut worden war. Hinter Theo saßen drei Erwachsene, die Väter von Pfadfindern, die als Freiwillige für das Wochenende rekrutiert worden waren. Ihnen war die Bezeichnung » Sippe Alter Geißbock« verpasst worden. Die drei tranken Kaffee aus Pappbechern und unterhielten sich lachend. Offenbar waren sie genauso aufgeregt wie die Jungen. Der Bus kurvte durch die Nebenstraßen von Strattenburg und verließ die Stadt in Richtung Westen. Als die Straßen freier wurden und sie Kilometer um Kilometer zurücklegten, ließ die Anspannung nach, und mehrere Pfadfinder dösten ein. Andere spielten Videospiele. Ein oder zwei lasen ein Buch. Theo blickte aus dem Fenster und genoss die kühle Brise in seinem Gesicht, als Hardie Quinn mit seinem Nachbarn tauschte und sich auf den Platz neben Theo fallen ließ.
» Wir haben uns gestern Abend auf der Farm getroffen«, sagte Hardie leise. » Die ganze Familie. Wir sind alle total wütend, Theo.«
» Hat jemand von euch schon mit einem Anwalt gesprochen?«, fragte Theo ebenso leise.
» Ja. Mein Vater hat gestern ein langes Gespräch mit einem geführt, und der hat
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