Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
praktisch das Gleiche gesagt wie du. Wenn der Staat unser Land haben will, kann er es sich nehmen. Natürlich muss er uns bezahlen, aber nach dem Enteignungsrecht kann der Staat tun, was er will.«
Theo schüttelte nur den Kopf.
» Meine armen Großeltern sind am Boden zerstört«, fuhr Hardie fort. » Sie sind seit fünfzig Jahren verheiratet und haben immer nur auf der Farm gelebt. Wenn sie dort wegmüssen, ist das ihr Tod. Beide haben gestern Abend geweint. Das Geld ist ihnen egal, sie wollen keinen Scheck vom Staat. Sie wollen einfach ihr Land behalten. Für sie ist das mehr als nur ein Grundstück, Theo, das verstehst du doch?«
Theo tat zumindest so, als könnte er das nachvollziehen.
» Wir müssen uns überlegen, wie wir uns wehren, Theo«, sagte Hardie.
Theo wusste nicht so recht, wie er so schnell in diese Sache geraten war. » Was meinst du damit?«
» Mein Vater sagt, es geht nur um Politik. Der Verwaltungsrat des County hat fünf Mitglieder, die die Umgehungsstraße genehmigen müssen. Wir Gegner des Projekts müssen uns organisieren und die Ratsmitglieder davon überzeugen, dass das Vorhaben unsinnig ist. Mein Vater und meine Onkel arbeiten fieberhaft daran. Sie würden es gut finden, wenn sich unser Pfadfindertrupp engagieren würde.«
» Warum?«
» Weil diese Umgehungsstraße die Natur massiv schädigen könnte, Theo. Das gesamte Trinkwasser kommt aus dem Red Creek, und niemand weiß, wie sehr es durch die Umgehungsstraße belastet werden könnte. Außerdem soll der gesamte Schwerverkehr an der Jackson Elementary School vorbeirollen. Stell dir die Lärmbelästigung und Luftverschmutzung vor. Das wäre doch furchtbar. Lass uns mit dem Major reden, vielleicht können wir ihn davon überzeugen, dass das Projekt für unseren Trupp von Interesse wäre.«
» Ich weiß nicht, ob der Major sich in die Lokalpolitik einmischen will.«
Hardie überlegte einen Augenblick. » Ich finde, wir sollten an diesem Wochenende mit ihm reden. Wenn es irgendwann eine Pause gibt, können wir das Thema zumindest ansprechen. Schaden kann es nicht.«
» Ich überleg es mir«, sagte Theo. Er ärgerte sich ein wenig, dass Hardie ihm die Vorfreude mit diesem unschönen Thema verdarb, aber er verstand ihn. Theo versuchte, sich vorzustellen, wie ihm zumute gewesen wäre, wenn der Staat das Haus der Boones und das Viertel dem Erdboden hätte gleichmachen wollen, um eine Schnellstraße zu bauen. Natürlich hätte er sich darüber aufgeregt.
Sieben
Der erste Blick auf den Lake Marlo war immer ein Erlebnis, und alle im Bus freuten sich darauf. Die Schnellstraße führte über eine steile Anhöhe, und plötzlich lag unter ihnen das glitzernde blaue Wasser, das sich über eine Breite von fast zwei Kilometern erstreckte und bis zur Quelle des ursprünglichen Flusses zu reichen schien. Der See war von sanften Hügeln umgeben, und ein achthundert Meter langer Erddamm, der in Richtung Osten verlief, hielt das Wasser zurück. Da er in einem Naturpark lag, waren die Ufer nicht bebaut – keine Häuser, keine Wohnanlagen, keine Yachthäfen, keine störenden Bauten. Der See wurde von schmalen Stränden, felsigen Landzungen und abgeschiedenen Buchten gesäumt. Es war der ideale Platz für einen Pfadfindertrupp, der ein langes Wochenende in der freien Natur verbringen wollte.
Rund um den See gab es Dutzende von Campingplätzen jeder Art. Die Besucher hatten die Wahl zwischen viel Komfort mit befestigter Stellfläche, Entsorgungsleitung und Stromanschluss für Wohnmobile bis hin zu den einfachen Plätzen am hinteren Ende des Sees. Mit Major Ludwig am Lenkrad nahm der Bus von Trupp 1440 immer Kurs auf eine Landzunge namens Enid Point, weit weg vom Damm und der Zivilisation.
Theo hatte vor einigen Monaten sein Camping-Verdienstabzeichen erworben. Dafür hatte er ein Zeltlagertagebuch führen müssen, das er am Vorabend noch einmal konsultiert hatte. In seinen beiden Jahren bei den Pfadfindern hatte er einundzwanzig Nächte am Lake Marlo verbracht, mal bei schönem Wetter unter den Sternen, mal, wenn es nass und kalt war, in einem Zelt. Im letzten Sommer hatte der Trupp sieben Nächte hintereinander auf Enid Point gezeltet. Mehrere Väter, zu denen auch Mr. Boone gehörte, hatten Proviant herbeigeschafft. Es war eine wunderschöne Woche geworden, und Theo war todtraurig gewesen, als das Abenteuer zu Ende ging.
Er träumte immer noch davon. An trüben Schultagen sah er manchmal aus dem Fenster und erinnerte sich beim Anblick der Berge
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