Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
in der Ferne an die wunderbar sorglosen Stunden, in denen er und die anderen Pfadfinder mit ihren Rucksäcken um den See gewandert waren und die Natur erforscht hatten. Sie hatten Stunden auf dem Wasser verbracht und Punkte für ihre Verdienstabzeichen in Schwimmen, Rudern und Rettungsschwimmen gesammelt. Der Major hielt Erste-Hilfe-Kurse und Kochkurse und unterrichtete sie nachts in Astronomie. Die Tage verleiteten zum Nichtstun, aber der Major trieb die Jungen immer an, noch mehr zu lernen und zu erreichen. Wer den Rang eines First Class Scout erworben hatte, sollte es zum Star Scout, dann zum Life Scout und schließlich bis zum Eagle Scout bringen. Gegenwärtig gab es laut Pfadfinderhandbuch einhundertundzwanzig Verdienstabzeichen. » Davon solltet ihr mindestens die Hälfte schaffen«, sagte der Major gern. Sechzig Verdienstabzeichen? Das schien unmöglich. Truman, ein fünfzehnjähriger Eagle Scout, der drei Jahre lang die Sippe Warzenschwein geleitet hatte und der beste Pfadfinder des Trupps war, hatte siebenundvierzig Verdienstabzeichen gesammelt. Der ganze Trupp beneidete ihn um seine dicht besetzte Schärpe. Dennoch ermahnte ihn der Major immer wieder freundlich, sich nicht auf seinen Lorbeeren auszuruhen.
Theo hatte sich fest vorgenommen, neben seiner künftigen Tätigkeit als Anwalt oder Richter, Gruppenleiter bei den Pfadfindern zu werden. Er wusste, dass das eine ehrenamtliche Tätigkeit war, aber wenn der Major so hervorragende Arbeit leisten konnte, wollte er selbst es zumindest versuchen.
Der Bus holperte über eine Schotterpiste und wand sich langsam die Hügel mit ihrem dichten Baumbestand und Unterholz hinauf und hinunter. Ab dem ersten Blick auf den See brauchten sie unter normalen Umständen dreißig Minuten bis Enid Point, wobei die Zivilisation mehr und mehr hinter ihnen zurückblieb. Die Schotterstraße wurde irgendwann zur Lehmpiste, und Theo musste unwillkürlich an ein Zeltlager denken, bei dem Starkregen den Weg so unterspült hatte, dass der Trupp einen Tag länger bleiben musste. Bei demselben Ausflug waren die Zelte im Schlamm den Hang hinuntergerutscht, und die Jungen mussten zum Bus rennen, um nicht völlig auszukühlen. Damals war es ein Albtraum gewesen, aber jetzt klang die Geschichte lustig und wurde immer wieder gern erzählt.
Zum Glück war Enid Point verlassen– keine anderen Camper in Sicht. Der Trupp hatte sich einen großen Abschnitt reserviert, aber andere Camper verkomplizierten die Sache oft. Der Major versammelte die fünf Sippenleiter um sich und erklärte ihnen den Plan, nach dem das Zeltlager aufgebaut werden sollte. Emsig liefen die achtunddreißig Pfadfinder hin und her, und bald waren Zelte und Proviant ausgeladen. In einer Stunde würde es dunkel werden, und bis dahin wollten die Sippenleiter die Zelte aufgebaut und das Abendessen auf dem Grill haben. Um eine zentrale Feuerstelle herum errichteten die fünf Sippen ihre Zelte in ordentlichen Reihen wie Speichen an einem Rad. Jedes der identischen Zelte stand genau 1,20 Meter vom nächsten entfernt. Der Major hielt viel von strenger Organisation und erwartete, dass das Zeltlager so perfekt wie möglich war.
Theo und die anderen Leiter gingen Arbeitspläne und Aufgabenverteilung durch. Am Freitagabend gab es immer ein schnelles Abendessen, und als es dunkel wurde, drängten sich die Jungen um das Lagerfeuer und verputzten Würstchen und Marshmallows, die sie über den Flammen geröstet hatten. Mr. Bennett von der Sippe Alter Geißbock rauchte eine Pfeife, und der Duft breitete sich über dem Zeltlager aus. Mr. Hogan, der Vater von Al, fing an, Gespenstergeschichten zu erzählen, und erwies sich als recht begabt. Als er bei der dritten angelangt war– einer ausführlichen Schilderung eines kopflosen Axtmörders, der zuletzt irgendwo am Lake Marlo gesehen worden war– rückten die Pfadfinder noch enger zusammen. Beim Trupp war es Tradition, dass die Väter die wilden Geschichten erzählten, die einfach zum Lagerfeuer gehörten, und natürlich ging es darum, den Jungen so viel Angst einzujagen wie möglich.
Besonders beliebt für Nachtwanderungen war ein felsiger Pfad, der am Seeufer entlangführte. Nach dem Abendessen und den Gespenstergeschichten wurden die Taschenlampen ausgepackt, und der Major unternahm mit dem Trupp einen langen Spaziergang. An einem Sandstrand blieben sie stehen und blickten zum Himmel. Dort war zwar ein Halbmond zu sehen, aber praktisch alle Sterne waren von Wolken verdeckt. Der Major
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