Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
Gouverneur will die Umgehungsstraße. Mehrere Senatoren aus dem Norden und Süden von Strattenburg wollen die Umgehungsstraße. Der Verwaltungsrat hat sich noch nicht entschieden, wird aber einen Beschluss fassen müssen.«
» Aber es ist nicht richtig, und es ist nicht fair«, beharrte Hardie. » Wie kann der Staat jemandem für ein unsinniges Projekt sein Land wegnehmen?«
Der Major lächelte und deutete auf das Wasser. » Sieh dir diesen wunderschönen See an, Hardie. Das ist kein natürliches Gewässer. Weit gefehlt.« Er deutete auf einen Fleck irgendwo in der Mitte des Sees. » Da draußen in der Mitte ist das Wasser um die siebzig Meter tief. Früher gab es dort eine Stadt, einen kleinen Ort namens Coldwater. Der Enid River floss mitten durch die Stadt, und alle fünf Jahre schwoll der Fluss an und trat über die Ufer, wobei er nicht nur Coldwater selbst überschwemmte. Es war ein wilder Fluss, der große Schäden verursachte. Das Tal wurde auf einer Länge von vielen Kilometern überflutet. Landwirte und Grundstückseigentümer verloren ihre Ernten, Häuser und Geschäfte, jahrzehntelang klagten alle über die Überschwemmungen. Schließlich beschloss der Staat vor sechzig Jahren, einen Damm zu bauen, den Fluss zu zähmen und den Überschwemmungen ein Ende zu setzen. So entstand dieser See. Herbert Marlo war damals Gouverneur.« Er deutete auf den Damm, der in der Ferne kaum noch zu sehen war. » Jetzt kommt das Interessante daran. Viele der Menschen hier wollten ihr Land nicht aufgeben. Trotz der Überflutungen, trotz all der Probleme, wehrten sie sich gegen das Projekt. Sie engagierten Anwälte, gingen vor Gericht und taten alles Erdenkliche, um den Damm aufzuhalten. Das zog sich über Jahre hin. Kennst du den Begriff ›Enteignung‹?«
» Theo hat ihn mir erklärt«, erwiderte Hardie.
» Ohne Enteignungsrecht hätte der Staat diesen See nicht schaffen können. Ein einziger Grundstückseigentümer hätte das gesamte Projekt blockieren können, und die Überschwemmungen wären weitergegangen. Ohne Enteignungen würde es keine Dämme, Seen, Schnellstraßen, Naturschutzgebiete, Kanäle, Häfen geben, und viele anderen Einrichtungen auch nicht, Hardie. Wenn man persönlich betroffen ist, ist das sehr unangenehm, aber für die Gesellschaft insgesamt sind Enteignungen wichtig.«
» Aber dieses Projekt war notwendig. Die Umgehungsstraße ist es nicht.«
» Nicht jeder denkt wie du. Das wird einen hässlichen Konflikt geben, in den sich die Pfadfinder nicht einmischen dürfen. Wenn du das Vorhaben für falsch hältst, musst du dich mit aller Kraft engagieren. Misch dich ein. Aus der Zeitung weiß ich, dass bereits mehrere Gruppierungen gegen die Umgehungsstraße Stellung bezogen haben. Bring dich dort ein, aber lass die Pfadfinder außen vor.«
Theo war nicht überrascht, dass der Major so dachte. Die Sache mit der Umgehungsstraße roch nach Politik, das war nichts für die Pfadfinder. Sie wanderten zurück zum Zeltplatz, wo eine lange Schwimmrunde organisiert wurde.
Acht
Nach dem Mittagessen brach die Sippe Falke zu einer Wanderung zum Gipfel des Mount Thatch auf, ein Spaziergang von acht Kilometern, der den größten Teil des Nachmittags in Anspruch nehmen würde. Mount Thatch war kein richtiger Berg, eher ein großer Hügel mit einer felsigen Kuppe. Der dichte Wald mit seinen Wanderwegen steckte voller Abenteuer und sollte angeblich zahlreiche Mokassinschlangen beherbergen. Weder Theo noch andere Mitglieder der Falken hatten je eine Mokassin- oder Klapperschlange oder irgendwelche anderen Giftschlangen gesehen, aber tief in den Wäldern bestand immer die Möglichkeit, dass man einer begegnete. Vor vier Monaten hatte Al Hogan von der Sippe Warzenschwein weit oben auf dem Mount Thatch eine Mokassinschlange entdeckt, was der Trupp ungeheuer spannend fand. Trotz der Hektik des Augenblicks hatte Al mit seinem Handy ein Foto gemacht und es auf Facebook eingestellt, sodass halb Strattenburg – im entsprechenden Alter – die Schlange zu Gesicht bekam. Als Al sie entdeckt hatte, war sie gerade einmal einen halben Meter lang gewesen und hatte friedlich in der Sonne gelegen. Vierundzwanzig Stunden später wurde sie von Al als »riesig und höchst aggressiv« beschrieben. Angeblich hatte er die Begegnung nur mit viel Glück überlebt.
Als die Falken das Lager verließen, trug jeder der acht Pfadfinder einen Rucksack mit Wasser, Proviant und Erste-Hilfe-Ausrüstung bei sich. Draußen im Wald lauerte die Gefahr,
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