Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
den anderen nicht bloßstellen, daher werde ich das erst bei unserem nächsten Treffen bekanntgeben. Bis dahin kein Wort darüber, klar?«
Theo hätte den Major gern gehasst, aber er respektierte, ja bewunderte ihn sehr und hatte ihn sich zum Vorbild genommen. Der Major hatte im Krieg gekämpft, war Militärpilot gewesen, hatte die Welt gesehen, in zwei oder drei Berufen Karriere gemacht und war jetzt bei den Pfadfindern nahezu in Vollzeit Gruppenleiter– nur so zum Spaß. Die Vorstellung, dass der Major fand, Theo habe seine Sippe in irgendeiner Weise im Stich gelassen, tat ihm weh.
Aber der Major war als Marine hart im Nehmen, da durfte Theo sich nicht als Weichei erweisen. Er schluckte mühsam, biss die Zähne zusammen und sagte: » Ja, Sir.«
Es bewölkte sich rasch, sodass es plötzlich stockfinster war. Theo folgte dem Major zurück zum Zeltlager, wo das Interesse an Gespenster- und Schlangengeschichten erlahmt war und allmählich Ruhe einkehrte. Das Lagerfeuer wurde gelöscht, der Proviant sicher verstaut, und die Pfadfinder verschwanden nach und nach in ihren Zelten. Jeder Schlafsack wurde ausgeschüttelt und gründlich auf Schlangen überprüft. Jedes Zelt wurde Quadratzentimeter für Quadratzentimeter im Licht der Taschenlampen inspiziert. Die Bereiche um die Zelte, das hohe Gras und Unterholz, die Felsen und selbst die Toiletten wurden mehrfach abgesucht. Widerstrebend verzogen sich die Pfadfinder in ihre Zelte, zogen die Reißverschlüsse am Eingang zu, schlüpften in die Schlafsäcke und lauschten dann auf Schlangen, die sich vielleicht im nassen Gras näherten. Als alles still war, zischte ein Witzbold in den Zelten der Warzenschweine lautstark, was einige lustig fanden.
Zum ersten Mal in seiner Zeit als Pfadfinder wollte Theo nur noch nach Hause.
Zehn
Noch vor dem Morgengrauen setzte der Regen ein, und bis zum Sonnenaufgang war alles durchnässt. Als gut ausgebildete Pfadfinder waren sie auf schlechtes Wetter vorbereitet, aber bei kaltem Wind und schlammigem Boden machte das Zelten einfach keinen Spaß. Normalerweise führte der Major den Trupp am Sonntagmorgen auf einem kurzen Spaziergang zu einer Stelle mit besonders schöner Aussicht und hielt dort eine Andacht. Er war weder Prediger noch Pastor, und die Teilnahme war für die Pfadfinder freiwillig. Aber er war ein kluger Mann mit einem tiefen Glauben an Gott und aufrichtiger Bewunderung für dessen Werk auf Erden. Theo genoss diese Andachten im Freien immer sehr und fand sie viel bewegender als den Gottesdienst in einer richtigen Kirche. Da es jedoch unaufhörlich regnete, beschloss der Major, die Andacht ausfallen zu lassen, das Frühstück abzukürzen und das Lager abzubrechen.
Um zehn Uhr war alles verstaut, und der alte grüne Bus ließ Enid Point hinter sich. Bergauf ging es nur zentimeterweise voran, immer wieder drehten die Räder im Schlamm durch. Endlich erreichten sie eine asphaltierte Straße, und alle atmeten auf. Als der Bus schneller wurde und in gleichmäßigem Tempo über die Straße rollte, schlossen viele der Pfadfinder die Augen und dösten ein. In der Nacht hatten die meisten nur unruhig geschlafen. Wenn sie schließlich eingeschlummert waren, hatten sie von monströsen Vipern mit scharfen Fängen geträumt, von denen tödliches Gift tropfte, und wenn sie wach gelegen hatten, hatten sie im Geiste schon die Schlangen draußen vor ihren Zelten gehört. Jetzt, im sicheren Bus und auf dem Heimweg, übermannte sie plötzlich die Müdigkeit.
Das Wetter wurde immer schlechter. Der Verkehr bewegte sich nur langsam vorwärts, und sie kamen an zwei schweren Autounfällen vorbei, während sie in Richtung Strattenburg dahinschlichen. Aus den üblichen zwei Stunden wurden vier, und die Pfadfinder hatten den Bus allmählich herzlich satt. Als sie den Fluss Yancey überquerten und die Innenstadt erreichten, wurden Beifallsrufe laut. Am Veteranenclub, wo die Pfadfinder ihren Sitz hatten, luden sie ihre verdreckte Ausrüstung aus und nahmen sich vor, sie am Montagnachmittag zu säubern.
Um drei Uhr nachmittags war Theo zu Hause. Erfrischt von einer ausgiebigen Dusche, setzte er sich mit Judge ins Fernsehzimmer und aß Hühnersuppe mit Nudeln, während sein Vater in der Sonntagszeitung blätterte und seine Mutter einen Roman las.
Der Major weigerte sich, seine Pfadfinder Handys und Laptops ins Zeltlager mitnehmen zu lassen. Camping war eine fantastische Möglichkeit, einmal herauszukommen, Abenteuer in der freien Natur fernab der
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