Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
wären sehr enttäuscht, wenn du austrittst.«
Theo wunderte sich oft über andere Eltern, die sich ständig einmischten und Ärger machten. Sie schickten den Lehrern E-Mails, in denen sie sich über dies und das beschwerten. Sie ließen den Trainern nach den Übungsstunden keine Ruhe und meckerten sogar nach den Spielen, wenn ihr Nachwuchs zu lange auf der Reservebank gesessen hatte. Sie tauchten unangekündigt in Mrs. Gladwells Büro auf und verteidigten ihre Kinder, auch wenn diese eindeutig im Unrecht waren. Sie drohten mit Klage, wenn ihre Sprösslinge aus einer Mannschaft oder der Theatergruppe flogen oder bei den Cheerleadern gar nicht erst aufgenommen wurden.
Im Augenblick hätte Theo sich jedoch von seinen eigenen Eltern ein wenig mehr Unterstützung gewünscht. Jetzt lasen beide. Judge hatte sich den Bauch vollgeschlagen und schlief mit hängender Zunge. Da sich keiner Theos Kummer anhören wollte, ging er nach oben und vertrieb sich die Zeit mit seinem Laptop.
Am Montagmorgen freute Theo sich nicht im Geringsten auf die neue Schulwoche, und das mit gutem Grund. Als er um 8.40 Uhr an seinem Tisch in Mister Mounts Klassenzimmer saß, war er bereits ein Dutzend Mal nach dem großen Schlangenangriff gefragt worden.
Percys Mutter hatte offenbar ein Bild von ihrem armen Kind aufgenommen, wie es verwundet in einem Krankenhausbett in Knottsburg lag. Auf dem Foto war Percys dümmlich grinsendes Gesicht zu sehen, aber im Mittelpunkt stand sein nacktes, angeschwollenes Bein. Es war wirklich enorm dick. Wie alle klugen Leute, die ihr gesamtes Privatleben mit der ganzen Welt teilen wollen, hatte seine Mutter das Foto dann auf Percys Facebook-Seite eingestellt. Sie, oder sonst irgendwer, hatte eine kurze Geschichte darüber verfasst, wie der wackere Pfadfinder mit den » grausamen Fängen« einer » zweieinhalb Meter« langen Mokassinschlange Bekanntschaft gemacht hatte.
Selbstverständlich hatte sich Percy nichts vorzuwerfen. Natürlich nicht. Ein ungenanntes Mitglied der Sippe Falke hatte den armen Jungen angeblich geschubst und ihm ein Bein gestellt, sodass er direkt auf die Schlange fiel, die zudem als » ungewöhnlich aggressiv« beschrieben wurde. Wenn man die Geschichte las, konnte man leicht den Eindruck gewinnen, dass Percy völlig unbeteiligt gewesen war und gar nichts von der nahen Schlange geahnt hatte.
Das Foto war am späten Sonntagabend eingestellt worden, als Theo ein Buch las und seinen Laptop zugeklappt hatte. Am Montagmorgen war er offenbar der einzige Schüler an seiner Schule, der das Bild nicht kannte. Die Geschichte war Gesprächsthema Nummer eins in Gängen und Klassenzimmern, und als der Gong zur ersten Stunde ertönte, waren bereits Gerüchte im Umlauf, das Bein müsse amputiert werden.
Percy war auf dem besten Weg, zur Legende zu werden. Von den dreihundertzwanzig Schülern an der Schule war er der Einzige, der je von einer Giftschlange gebissen worden war. Percy Dixon war berühmt, und nicht etwa, weil er etwas geleistet hätte.
Berühmt wegen seiner Blödheit, dachte Theo, der vor Wut kochte, sich aber auf die Zunge biss und zähneknirschend den Schultag hinter sich brachte. Das gibt es auch nur in Amerika.
Theo hatte Percy und seinen Schlangenbiss gründlich satt. Als endlich der letzte Gong ertönte, flitzte er sofort zum Veteranenclub. Hinter dem Gebäude hatte der Major Zelte und Ausrüstung ausgebreitet und war dabei, die großen Kühlboxen auszuwaschen. Nur etwa die Hälfte des Trupps war zu dieser Sonderarbeit angetreten, aber Theo war es egal, wer fehlte. Gemeinsam mit Phillip und Cal stellte er die Zelte der Falken auf, um den Dreck mit Wasser und Seife abzuwaschen. Die Zelte mussten gereinigt und getrocknet werden, bevor sie weggepackt wurden, sonst fingen sie an zu schimmeln.
Der Major blieb auf Abstand, und das war Theo ganz recht. Der grimmige alte Marine legte großen Wert auf Disziplin und würde bestimmt nicht weich werden. Das war Theo klar. Er hatte beschlossen, weiter bei den Pfadfindern zu bleiben. Von einem einzigen unangenehmen Erlebnis wollte er sich eine Sache, die ihm so wichtig war, nicht verderben lassen. Stattdessen würde er den eher rationalen Rat seines Vaters befolgen und durchhalten, seinen Ärger herunterschlucken, noch härter arbeiten und seine Suspendierung als Auszeichnung verstehen. Soweit es ihm möglich war, wollte er sich selbst wie ein Marine verhalten, der Major würde schon sehen, was er davon hatte.
Als er gerade ein Zelt aufrollte,
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