Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
kleine Metallschüssel, füllte sie mit Wasser und hielt sie Judge hin, der die Flüssigkeit in sich hineinschlabberte, als hätte er noch nie zuvor Wasser gesehen. Während er in Dr. Kohls sicherem Griff trank und schlabberte, steckte Theo den Kopf in den Gang und brüllte: » Judge ist aufgewacht!«
Binnen Sekunden war das Untersuchungszimmer rappelvoll. Die vier Boones, Dr. Kohl, Captain Mulloy und zwei Tierarzthelferinnen sahen zu, wie sich Judge gierig auf das Wasser stürzte. Schließlich ließ Dr. Kohl ihn los, und da stand Judge Boone , quicklebendig und ohne Hilfe, auf drei gesunden und einem gebrochenen Bein. Sein kahl geschorener Kopf war geschwollen, und er sah ziemlich mitgenommen aus, aber er grinste hochzufrieden und schien sich zu fragen, warum die Menschen um ihn herum weinten.
Judge war wieder da.
Siebzehn
Das Tiergericht. Im Keller des altehrwürdigen, imposanten Gerichtsgebäudes von Stratten County gab es einen langen staubigen Gang, von dem mehrere wenig genutzte Räume abgingen. An der Tür zum größten dieser Räume hing ein Schild mit der schlichten Aufschrift » Tiergericht«. Dahinter verbarg sich ein Sammelsurium von allem, was sonst keiner haben wollte: alte, bunt zusammengewürfelte Klappstühle, ein ziemlich mitgenommener alter Tisch, an dem der Richter saß, alte Gerichtsdiener, die schon halb in Rente waren und nur ab und zu vorbeikamen, sowie eine ältliche, griesgrämige Justizangestellte, die nicht mehr richtig hörte und ihre Arbeit hasste. In den Stockwerken darüber gab es viel eindrucksvollere Sitzungssäle, und Theo kannte sie alle. Am liebsten war ihm der große Saal, in dem Richter Henry Gantry den Vorsitz führte. Das Tiergericht gefiel ihm jedoch auch, weil es keinen Anwaltszwang gab und jeder sich selbst vertreten konnte. Mit seinen dreizehn Jahren hatte Theo vor Richter Yeck bereits mehrere eindrucksvolle Erfolge errungen.
Der schäbige Raum und seine Ausstattung mochten alt sein– Richter Yeck war es nicht. Er war um die vierzig, hatte lange Haare und einen Bart. Jeans und schwere Stiefel waren ihm lieber als schwarze Robe und Fliege. Er war schwer in Ordnung, und Theo mochte ihn sehr. Es war nur ein Teilzeitjob: Richter Yeck durfte an vier Nachmittagen in der Woche den Richter spielen, weil kein anderer dieses Amt wollte. Das Tiergericht stand so weit unten in der Hierarchie, dass die anderen Juristen der Stadt einen großen Bogen darum schlugen.
Theo kam oft vorbei. Am Tiergericht wurde dienstags bis freitags von sechzehn bis achtzehn Uhr verhandelt, und auf der Prozessliste standen normalerweise immer ein oder zwei interessante Fälle. Manchmal war wenig los, und dann nahm Theo sich einen Stuhl und unterhielt sich mit Richter Yeck über Gesetze, das Jurastudium, andere Juristen, die Gerüchte, die unter den Juristen der Stadt in Umlauf waren, und vor allem über andere Verfahren. Richter Yeck tat ihm ein wenig leid, weil er, wenn er nicht am Tiergericht tätig war, in einer kleinen Kanzlei arbeitete, die offenbar sehr zu kämpfen hatte.
Boas, bissige Hunde, spuckende Lamas, im Sturzflug angreifende Papageien, Pythons aus dem Katalog, tollwütige Katzen, eigensinnige Affen, Hängebauchschweine, tödliche Spinnen, Stinktiere ohne Geruchsdrüse, verwundete Berglöwen, ausgesetzte Babykrokodile, illegale Kampfhähne, hungrige Bären, ein verrückter Elch– das Tiergericht und Richter Yeck hatten alles schon erlebt.
Aber so voll hatte der Richter seinen Gerichtssaal noch nie gesehen. Um fünf Uhr am Mittwochnachmittag war jeder Platz besetzt, und die Stimmung war angespannt. Auf der einen Seite saßen die Boones– Mr. und Mrs. Boone , angesehene Strattenburger Anwälte– und zwischen ihnen ihr Sohn Theo. Neben Theo lugte ein vertrautes Gesicht hervor, das mit all den Schwellungen und Verbänden nicht ganz so munter wirkte wie sonst. Theo behauptete, er hätte den Mischling zu Ehren von Richter Yeck Judge, also Richter, genannt, allerdings war Richter Yeck zu Ohren gekommen, dass er das auch anderen Richtern erzählt hatte. Direkt hinter Theo hatte Ike Boone Platz genommen, ein ehemals führender Strattenburger Anwalt, der vor Jahren dramatisch abgestürzt war.
Hinter den Boones drängten sich die Freunde der Familie. Woody, seine Eltern, und zwei seiner älteren Brüder. Hardie Quinn, seine Eltern, seine Großeltern und verschiedene Tanten, Onkel und Cousins. Schulkameraden von Theo, unter denen auch Chase und April mit Aprils verrückter Mutter waren. Mr.
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