Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
Sonntagszeitungen zur Tür herein. Theo wunderte sich immer wieder über die Mengen von Zeitungspapier, die seine Eltern an einem typischen Sonntag verbrauchten. Überall lagen oft bis zu vier dicke Zeitungen herum, vom Küchentisch bis zum Fernsehzimmer und bei gutem Wetter sogar auf der Veranda hinter dem Haus. Zu Theos Aufgaben gehörte es, das Recycling zu organisieren. In einer Ecke der Garage hatte er vier Plastikmülltonnen aufgestellt, für Glas, Kunststoff, Aluminium und Papier. Die Papiertonne war immer randvoll mit alten Zeitungen. Er hatte seine Eltern mehrmals gefragt, warum sie die Nachrichten nicht einfach im Internet lasen. Beide hatten ihre Laptops, die sie für die Arbeit und private E-Mails nutzten. Warum lasen sie nicht die Online-Ausgaben? Ihre Antworten blieben vage und unbefriedigend, zumindest für Theo.
Er starrte auf den Stapel Sonntagszeitungen. Was für eine Verschwendung! Abrupt landete er wieder auf dem Boden der Tatsachen und fragte sich, warum er, Theo Boone , ein Junge, dessen Hund so gut wie tot war und der zwei Nächte auf dem Boden einer Tierarztpraxis hinter sich hatte, sich Gedanken um das Recycling von alten Zeitungen machte. Er schnappte sich einen Donut und verschlang ihn mit drei Bissen.
Mr. Boone begrüßte alle und erkundigte sich nach Judge, als Dr. Kohl aus den hinteren Räumen der Praxis kam. Er trug Anzug und Krawatte und sagte, er sei auf dem Weg zum Frühgottesdienst. Die Fotos der vier soeben verhafteten Männer wurden herumgereicht und mit gerunzelter Stirn und stiller Verachtung bedacht.
» Üble Gestalten«, sagte Dr. Kohl– oder etwas in der Art.
Theo hatte einen Einfall. » Kann ich mir das Foto von Larry Samson leihen?«, fragte er.
Captain Mulloy gab es ihm. Unter den erstaunten Blicken der Erwachsenen verschwand Theo hinten in der Praxis.
Das Untersuchungszimmer war dunkel und verlassen; Judge lag ganz allein bewegungslos auf dem Tisch, auf dem er jetzt schon so lange ruhte. Theo knipste eine Lampe an und beugte sich über seinen Hund.
» Hallo, Kumpel«, sagte er ihm leise ins Ohr. » Ich hab was für dich.« Er hielt ihm das Foto von Larry Samson unter die Nase. » Das ist der Gangster, der dir das angetan hat, Judge. Der Kerl heißt Larry, und Larry sitzt jetzt im Gefängnis. Er wird überführt werden, Judge, und für seine Taten büßen müssen. Sieh ihn dir an, Judge, den großen bösen Larry, den Kerl, der sich so toll vorkam, als er einen kleinen Hund mit seinem Stock verprügelt hat. Jetzt sitzt er hinter Gittern. Wir haben gewonnen, Judge, und wir sind noch lange nicht fertig mit ihm.«
Theo hielt ihm das Foto hin, aber Judge sah es nicht. Theo kämpfte mit den Tränen. Das Bild zitterte. Theo schloss die Augen und bat Gott, seinem armen kleinen Hund zu helfen, der niemandem etwas zuleide getan hatte, der der beste Freund der Welt war, der bei dem Versuch, Theo zu schützen, schwer verletzt worden war. Bitte, lieber Gott.
Die Minuten vergingen, und Theo wollte schon aufgeben.
Dann hörte er ein Geräusch, ein schwaches Grunzen, als versuchte Judge, sich zu räuspern. Theo öffnete die Augen, und fast im selben Moment schlug Judge seine auf. Nicht weit, nur zwei schmale Schlitze, aber die dunkelbraune Iris wurde sichtbar.
» Judge, du bist wach!«, sprudelte es aus Theo heraus. Er beugte sich noch weiter vor, bis er fast Nase an Nase mit seinem Hund stand.
Judge öffnete die Augen ein wenig mehr. Er schien das Foto von Larry Samson anzusehen, es geradezu zu fixieren, dann öffnete er das Maul und leckte sich die Lippen. Theo legte das Foto weg und fing an, Judge mit beiden Händen den Rücken zu reiben, wobei er ununterbrochen redete.
Dr. Kohl kam herein. » Sieh mal einer an«, sagte er. » Judge will offenbar noch nicht Abschied nehmen.«
» Sehen Sie doch!«, rief Theo. » Er ist hellwach.«
» Ja, das sehe ich.« Dr. Kohl entfernte vorsichtig einen Schlauch und berührte sanft die geschwollenen Stellen. Judge erwachte zum Leben, wimmerte und wand sich ein wenig. Die Schiene an seinem rechten Vorderbein störte ihn, und er verstand nicht, was das Ding sollte. Als Dr. Kohl ihn dort berührte, jaulte Judge und zuckte zurück. » Am besten gebe ich ihm ein Schmerzmittel.«
» Der hat bestimmt einen Bärenhunger«, sagte Theo, außer sich vor Freude.
» Kann schon sein, aber erst einmal braucht er Wasser.« Dr. Kohl hob Judge langsam an, bis er– wenn auch wacklig– auf dem Tisch stand, und hielt ihn fest. Theo schnappte sich eine
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