Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
nutzten Theo und Hardie die einstündige Studierzeit und trafen sich in der Bücherei. Der Internetserver der Schule war schneller als ihre Laptops, daher nutzten sie die Computer, die bei Bedarf allen Schülern zur Verfügung standen. Als sie sich ordnungsgemäß eingeloggt hatten und der IT -Betreuer abgezogen war, fingen sie eifrig an, Informationen zu sammeln. Die Daten der Fußballvereine waren leichter abzugreifen als die des Schulsystems von Stratten County.
Nachdem sie am Vorabend als ausgewachsene Aktivisten die Räume des Umweltbeirats verlassen hatten, hatte Hardie sich eine Stunde lang auf Facebook herumgetrieben. Er spielte für eine Mannschaft, die sich Red United nannte, was liebevoll zu RU abgekürzt wurde, und RU hatte eine eigene Facebook-Seite. Er hatte die Seiten anderer Mannschaften in der Altersklasse der unter Vierzehnjährigen durchsucht und bald eine Liste mit den Kontaktangaben von etwa hundert Sportlern, Mädchen und Jungen, zusammenbekommen. Von seinem Rechner in der Bücherei aus durchforstete Hardie Facebook und setzte Dutzende neuer Namen auf seine Liste.
Theo versuchte sich am Schulsystem. Der offiziellen Website zufolge besuchten gegenwärtig 415 Kinder vom Kindergarten bis zur vierten Klasse die Jackson Elementary School, aber es gab keine Liste und erst recht keine Informationen über sie. Dafür fand er eine nette Aufstellung mit den Namen der Lehrer, Farbfotos, E-Mail-Adressen und Ähnlichem und beschloss, das als Ausgangsbasis zu nutzen. Das Eltern-Lehrer-Netzwerk hatte eine eigene Website mit ein paar Namen und Kontaktangaben, aber nicht viel mehr.
Fast die ganze Stunde lang waren Theo und Hardie in ihre groß angelegte Suche nach den Namen von Schülern, Lehrern, Eltern und Verwaltungsbeamten vertieft, die ihnen irgendwie bei ihrer Kampagne nützlich sein konnten.
Nach der Schule hing Theo in der Kanzlei herum und langweilte sich. Um vier wollte er sich bei Guff’s Frozen Yoghurt mit April Finnemore treffen, wie eigentlich jede Woche. Aprils ältere Geschwister waren ausgezogen, um der schwierigen Situation zu Hause zu entgehen, sodass sie oft allein war. Sie tat Theo nicht leid, weil sie kein Mitgefühl wollte; außerdem war sie intelligent, witzig und eine begabte Künstlerin. Er sah sie nicht als seine Freundin, weil sie nicht ineinander verliebt waren, sondern nur als guten Kumpel, der zufällig ein Mädchen war. Die meisten seiner Freunde verstanden nicht, wie man einen Kumpel haben konnte, der ein Mädchen war. Theo hatte es aufgegeben, es immer wieder zu erklären. Es war zu kompliziert.
Vince, der Anwaltsgehilfe, der für Mrs. Boone arbeitete, erschien plötzlich in Theos Büro. » Theo, kannst du bitte zur Geschäftsstelle laufen und den Schriftsatz noch vor fünf Uhr einreichen?« Noch während er sprach, warf er eine Mappe mit Dokumenten auf Theos Schreibtisch. Wahrscheinlich gehörten die Papiere zu einer der vielen Scheidungssachen, in denen Mrs. Boone im Augenblick tätig war.
Theo sprang auf. » Ja, klar. Ich fahre gleich los.«
» Danke«, sagte Vince und verschwand.
Theo liebte das Gericht von Stratten County, und jeder Vorwand für einen Besuch war ihm recht. Er tätschelte Judge den Kopf, versprach ihm, gleich wiederzukommen, schnappte sich die Akte und sauste los.
Das Gericht war das größte Gebäude der Stadt, und mit Abstand das wichtigste. Hohe, dicke Säulen schmückten den Haupteingang mit der hohen breiten Treppe. Theo stellte sein Rad am Fahrradständer ab und lief die Treppe hinauf. In der Eingangshalle wimmelte es normalerweise nur so von Anwälten, Polizeibeamten und Justizangestellten, aber Theo wusste aus Erfahrung, dass so spät am Freitagnachmittag nichts mehr los sein würde. Seine Mutter beklagte sich immer wieder, dass es unmöglich war, am Freitag nach dem Mittagessen noch einen Richter aufzutreiben, und Ike erzählte gern davon, wie sich ein Anwalt nach dem anderen in die Kneipe absetzte, um sich von der langen, harten Woche zu erholen.
Die Halle war menschenleer. Theo lief die Treppe zum zweiten Stock hinauf, wo sich das Familiengericht befand. Dort arbeitete seine liebste Geschäftsstellenbeamtin, die junge, bezaubernde Jenny, die geheime Liebe seines Lebens und die Frau, die er geheiratet hätte, wenn sie nicht bereits verheiratet und schwanger gewesen wäre.
» Ja hallo, Theo«, sagte sie mit einem Lächeln. Ihre sanften blauen Augen strahlten wie immer, wenn sie Theo anlächelte, und wie immer lief er rot an. Er konnte
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