Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
ist. Mit jeder Stunde verschlechtert sich ihre Lage. Jemand muss sie retten.«
»Sie sind wirklich ein netter Mensch, Leeper«, stellte Slater fest. »Erst entführen Sie das Mädchen und verstecken es irgendwo und dann spielen Sie den edlen Ritter.«
»Sie haben doch bestimmt ein Angebot für uns«, meinte Capshaw.
»Ganz genau. Ich mache euch einen Vorschlag. Und bewegt euch endlich, Leute, die Kleine ist bestimmt schon völlig verängstigt. Ich bekenne mich des Einbruchs schuldig und gehe für zwei Jahre ins Gefängnis. Meine Strafe für die Verurteilung in Kalifornien sitze ich gleichzeitig ab, aber hier. Mein Anwalt sagt, der Papierkram kann in ein paar Stunden erledigt werden. Wir unterschreiben die Vereinbarung, Staatsanwaltschaft und Richter stimmen zu, und ihr kriegt das Mädchen. Die Zeit läuft, also beeilt euch.«
Slater und Capshaw wechselten nervöse Blicke. Sie steckten in der Zwickmühle. Sie gingen davon aus, dass Leeper log, weil von ihm nichts anderes zu erwarten war. Aber was, wenn nicht? Was, wenn er sie tatsächlich zu April führen konnte?
»Es ist Freitagabend, kurz vor sechs, Leeper. Richter und Staatsanwälte sind schon längst zu Hause.«
»Ich wette, die findet ihr ratzfatz. Wenn es darum geht, das Mädchen zu retten, sind die gleich wieder da.«
Eine weitere Pause trat ein, während sie sein bärtiges Gesicht musterten. Kaum vorstellbar, dass Leeper nicht wusste, wo das Mädchen war. Wenn er seinen Teil der Abmachung nicht einhielt, war jeder Deal null und nichtig, das musste ihm klar sein. Außerdem hatte die Polizei keine anderen Spuren. Er war ihr einziger Verdächtiger. Leeper war ihr Mann.
»Ich habe kein Problem, mich mit dem Staatsanwalt zu unterhalten«, sagte Slater.
»Falls Sie lügen, Leeper, sind Sie morgen wieder in Kalifornien«, drohte Capshaw.
»Ist sie noch in der Stadt?«, fragte Slater.
»Ich sage kein Wort mehr, solange die Vereinbarung nicht unterschrieben ist.«
Als Theo nach der Rettung von Pete, dem Papagei, das Gericht verließ, sah er, dass Ike ihm eine SMS geschickt hatte. Er sollte bei ihm im Büro vorbeikommen.
Weil er morgens nur langsam auf Touren kam, arbeitete Ike normalerweise bis spätabends, sogar am Freitag. Theo fand ihn an seinem Schreibtisch. Überall lagen Papiere herum. Ein Bier war bereits geöffnet, und die Stereoanlage spielte Bob Dylan.
»Wie geht’s meinem Lieblingsneffen?«, fragte Ike.
»Ich bin dein einziger Neffe«, erwiderte Theo, während er aus seiner Regenjacke schlüpfte und sich auf den einzigen Stuhl setzte, auf dem keine Akten und Ordner lagen.
»Ja, aber selbst wenn ich zwanzig hätte, wärst du mir am liebsten.«
»Wenn du meinst.«
»Wie war dein Tag?«
Theo hatte bereits gelernt, dass es für einen Anwalt das Höchste war, einen Erfolg vor Gericht zu genießen. Anwälte redeten gern über ihre merkwürdigen Mandanten und eigenartigen Fälle, aber eigentlich zählten nur die Verhandlungen. Also stürzte er sich in die Geschichte mit Pete, und bald brüllte Ike vor Lachen.
Verständlicherweise hatte Richter Yeck nicht viel mit den angeseheneren Juristen der Stadt gemeinsam. Daher lief er gelegentlich Ike in einem gewissen Lokal über den Weg, das von den Außenseitern frequentiert wurde. Ike fand es urkomisch, dass Yeck Theo erlaubte, Mandanten zu vertreten wie ein richtiger Anwalt.
Nach dem Ende der Geschichte wechselte Ike das Thema. »Ich finde immer noch, die Polizei sollte sich mit dem Vater des Mädchens befassen. Soweit ich weiß, konzentrieren die sich nach wie vor auf Jack Leeper. Ich halte das für einen Fehler. Du nicht?«
»Keine Ahnung, Ike. Ich weiß überhaupt nicht, was ich denken soll.«
Ike griff nach einem Blatt Papier. »Sein Name ist Thomas Finnemore, genannt Tom. Seine Band heißt Plunder und ist seit ein paar Wochen auf Tournee. Finnemore und vier andere Versager, die meisten sind von hier. Eine Website gibt es nicht. Der Sänger hat früher mit Drogen gedealt. Ich bin ihm vor Jahren mal begegnet, und es ist mir gelungen, eine seiner aktuellen Freundinnen aufzutreiben. Viel hat sie nicht gesagt, aber sie glaubt, die Band treibt sich in der Gegend von Raleigh in North Carolina herum. Die treten für wenig Geld in Kneipen und auf Studentenfeten auf. Klang nicht so, als würde sie ihren Liebsten sehr vermissen. Auf jeden Fall ist das alles, was ich herausgefunden habe.«
»Und was tue ich jetzt?«
»Nach Plunder suchen.«
Theo schüttelte frustriert den Kopf. »Ike, April würde nie
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