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Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Titel: Theo Boone und der unsichtbare Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sehen, wie er über einen Bürgersteig geht. Mein Cousin hat gesagt, der Mann, der im Haus war, hat sich genauso bewegt.«
    » Warum hat er dir das erzählt?«
    » Weil ich sein Cousin bin und zur Schule gehe. Mein Englisch ist gut, und ich habe Papiere. Er versteht das Rechtssystem nicht und hat mich danach gefragt. Ich habe ihm versprochen, mich zu erkundigen. Deswegen bin ich hier, Theo.«
    » Was erwartest du von mir?«
    » Sag uns, was wir tun sollen. Er könnte ein wichtiger Zeuge sein, stimmt’s?«
    » Allerdings.«
    » Was soll er tun?«
    Sich so schnell wie möglich in El Salvador in Sicherheit bringen, hätte Theo fast gesagt, tat es aber nicht. » Lass mich nachdenken«, sagte er und rieb sich das Kinn. Seine Zahnspange tat plötzlich weh. Er kickte einen Stein weg und versuchte sich den Aufruhr vorzustellen, der losbrechen würde, wenn Julios Cousin aussagte.
    » Gibt es eine Belohnung?«, fragte Julio.
    » Will er Geld?«
    » Jeder will Geld.«
    » Ich weiß nicht, vielleicht ist es zu spät. Der Prozess ist schon halb vorbei.« Theo trat nach einem anderen Stein, und für einen Augenblick starrten die beiden Jungen auf ihre Füße.
    » Das ist einfach unglaublich.« Theo war völlig verwirrt. Aber er konnte immer noch klar genug denken, um zu wissen, dass die Sache zu groß für ihn war. Darum mussten sich Erwachsene kümmern.
    Das war kein Geheimnis, das er für sich behalten konnte.
    » Was ist?«, wollte Julio wissen. Er sah Theo erwartungsvoll an.
    » Wo wohnt dein Cousin?«
    » In der Nähe von Quarry. Ich war noch nie da.«
    Das hatte Theo erwartet. Quarry war ein übles Viertel, in dem der ärmere Teil der Bevölkerung lebte. Strattenburg war eine sichere Stadt, aber wenn es einmal eine Schießerei oder eine Drogenrazzia gab, dann in Quarry.
    » Kann ich mit deinem Cousin reden?«, fragte Theo.
    » Ich weiß nicht, Theo. Er macht sich wegen dieser Sache wirklich große Sorgen und hat Angst, dass er Ärger bekommt. Sein Job ist für seine Familie zu Hause sehr wichtig.«
    » Das verstehe ich ja. Aber ich muss mir über die Tatsachen klar werden, bevor ich entscheiden kann, was zu tun ist. Wie oft siehst du deinen Cousin?«
    » Ein- oder zweimal pro Woche. Er kommt in der Obdachlosenunterkunft vorbei und besucht meine Mutter. Er hat furchtbares Heimweh, und wir sind seine einzigen Verwandten.«
    » Hat er ein Telefon?«
    » Nein, aber er wohnt mit ein paar anderen Männern zusammen, und einer von denen hat ein Handy.«
    Gedankenverloren tigerte Theo auf dem Parkplatz auf und ab. Dann schnippte er mit den Fingern. » Pass auf, ich habe einen Plan. Ich nehme an, du brauchst heute Abend Hilfe bei deinen Mathehausaufgaben.«
    » Äh…«
    » Sag einfach Ja.«
    » Ja.«
    » Gut. Setz dich mit deinem Cousin in Verbindung, und richte ihm aus, er soll in etwa einer Stunde bei euch sein. Ich komme dann vorbei, um dir bei den Hausaufgaben zu helfen, und treffe so ganz zufällig deinen Cousin. Sag ihm, er kann mir vertrauen, und dass ich keinem was erzähle, wenn er das nicht will. Alles klar?«
    » Ich versuche es. Was passiert, wenn du mit ihm geredet hast?«
    » Das weiß ich nicht. So weit bin ich noch nicht.«
    Julio verschwand in der Dunkelheit. Theo kehrte in sein Büro zurück, wo er eine Akte über den Duffy-Prozess aufbewahrte. Sie enthielt Zeitungsartikel, eine Kopie der Anklageschrift und die Ergebnisse seiner Internetrecherchen zu Pete Duffy, Clifford Nance und sogar Jack Hogan, dem Staatsanwalt.
    Jeder Anwalt hatte Akten.
    Mittwochabend gab es immer Take-away vom Golden Dragon, einem Chinarestaurant. Gegessen wurde dann im Fernsehzimmer, während sich die Boones Theos Lieblingssendung, eine Wiederholung der alten Perry-Mason-Serie, ansah.
    Mrs. Boone war noch mit ihrer Mandantin beschäftigt. Theo konnte die arme Frau durch die Tür weinen hören. Mr. Boone war auf dem Sprung zum Golden Dragon, als Theo ihm erklärte, er müsse noch schnell zur Obdachlosenunterkunft und ein paar Minuten mit Julio reden.
    » Komm nicht so spät«, mahnte Mr. Boone. » Wir essen um sieben.«
    » Ich bin da.« Natürlich essen wir um sieben.
    Die Kanzlei hatte eine Bibliothek, die im Erdgeschoss, in der Nähe des Haupteingangs, untergebracht war. Mitten im Raum stand ein langer Tisch mit Lederstühlen. Die Wände waren mit Regalen bedeckt, auf denen sich dicke Wälzer drängten. Alle wichtigen Besprechungen fanden in der Bibliothek statt. Gelegentlich kamen dort andere Anwälte wegen einer Zeugenaussage oder

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