Theo Boone und der unsichtbare Zeuge
auf dessen Rücken in fetten Lettern der Aufdruck » Waverly Creek Golf« prangte. Der Schriftzug wiederholte sich, entsprechend kleiner, auf der Brusttasche und der passenden Kappe. Der Junge war nicht viel größer als Theo und wirkte deutlich jünger als achtzehn oder neunzehn. Seine dunklen Augen blickten gehetzt, und er schien auf dem Sprung zu sein, bevor er sich überhaupt gesetzt hatte.
Er weigerte sich, Theo die Hand zu schütteln, und wollte weder seinen Vornamen noch seinen Familiennamen nennen. In rasantem Spanisch fing er an, mit Julio zu diskutieren. Es klang angespannt.
» Er will wissen, warum er dir vertrauen soll«, erklärte Julio.
Theo war dankbar für die Übersetzung, weil er kaum etwas von dem Spanisch verstanden hatte.
» Weißt du, Julio, die Situation ist folgende: Er hat sich an dich gewandt, du dich an mich, und jetzt bin ich hier. Ich habe die Sache nicht in Gang gebracht. Wenn er nicht bleiben will, von mir aus. Dann gehe ich eben nach Hause, soll mir recht sein.« Das waren klare Worte, die auf Englisch ganz schön hart klangen. Julio gab sie auf Spanisch weiter, und der Cousin funkelte Theo an, als hätte er ihn beleidigt.
Theo wollte gar nicht gehen, obwohl ihm bewusst war, dass er das eigentlich hätte tun sollen. In so eine Sache mischte man sich lieber nicht ein. Er hatte sich mehrfach gesagt, dass er sich besser raushielt, aber eigentlich war er im Augenblick genau da, wo er sein wollte. » Sag ihm, er kann mir vertrauen. Ich erzähle nichts weiter«, sagte er zu Julio.
Julio übersetzte auch das, und der Cousin schien sich ein wenig zu entspannen.
Theo war klar, dass sich der Junge große Sorgen machte und eigentlich Hilfe suchte. Julio redete wie ein Buch auf Spanisch. Er überhäufte Theo mit Lob, so viel verstand auch Theo.
Der Cousin lächelte.
Theo hatte eine farbige Google-Earth-Karte vom Creek Course ausgedruckt und das Haus der Duffys markiert. Der Cousin, dessen Namen Theo immer noch nicht kannte, fing an, seine Geschichte zu erzählen. Er deutete auf eine Stelle in einer Baumgruppe am sechsten Fairway und schilderte hastig, was er gesehen hatte. Er hatte an einem Bachbett hinter den ersten Bäumen auf Holzbalken gesessen und sein Mittagessen verzehrt, ohne sich um den Rest der Welt zu kümmern, als er den Mann das Haus durch die Hintertür betreten und ein paar Minuten später wieder verlassen sah. Julio dolmetschte tapfer, musste allerdings seinen Cousin immer wieder unterbrechen, damit er Theo eine englische Version liefern konnte. Zu Theos Ehre war zu sagen, dass er zunehmend mehr von dem spanischen Wortschwall verstand, als er sich eingehört hatte.
Der Cousin beschrieb die hektische Aktivität auf dem Golfplatz, als die Polizei auftauchte und die Gerüchteküche zu brodeln begann. Einer seiner Freunde, ein Junge aus Honduras, der im Clubhaus-Restaurant kellnerte, hatte ihm berichtet, Mr. Duffy habe gerade– etwas spät– beim Mittagessen und einem Getränk gesessen, als er vom Tod seiner Frau erfuhr. Er legte eine große Szene hin, rannte aus dem Restaurant, sprang in sein Golfcart und raste nach Hause. Dieser Freund sagte, Mr. Duffy habe einen schwarzen Pulli, eine hellbraune Hose und eine rötlichbraune Golfkappe getragen. Das passe genau, meinte der Cousin. Genau dasselbe habe der Mann getragen, den er dabei beobachtet hatte, wie er das Haus der Duffys betrat und nur Minuten später wieder verließ.
Theo holte vier Fotos von Pete Duffy aus seiner Akte. Alle vier hatte er online in den Archiven der örtlichen Tageszeitung gefunden und sie auf zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter vergrößert. Er breitete sie auf dem Tisch aus und wartete ab. Der Cousin konnte Mr. Duffy nicht identifizieren. Der Mann, den er bei seinem einsamen Mittagessen gesehen hatte, musste sechzig bis hundert Meter von ihm entfernt gewesen sein. Er sah dem auf den Fotos ähnlich, aber der Cousin war sich nicht sicher. Allerdings wusste er ganz genau, was der Mann getragen hatte.
Eine positive Identifizierung durch den Cousin wäre hilfreich gewesen, war aber nicht entscheidend. Was Mr. Duffy getragen hatte, ließ sich leicht überprüfen, und die Tatsache, dass ein Zeuge einen Mann in identischer Kleidung wenige Minuten vor dem Mord ins Haus hatte gehen sehen, war, zumindest Theos Meinung nach, für eine Verurteilung ausreichend.
Während Julio ins Spanische übersetzte, beobachtete Theo den Cousin sehr genau. Es war offensichtlich, dass er die Wahrheit sagte. Warum auch
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