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Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Titel: Theo Boone und der unsichtbare Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Verhandlung zusammen. Vince, der Anwaltsassistent, arbeitete gern hier. Theo auch, wenn in der Kanzlei nichts los war. Am späten Nachmittag, wenn die Kanzlei geschlossen war und die anderen gegangen waren, schlich er sich oft in die Bibliothek.
    Zusammen mit Judge zog er sich nun dorthin zurück und schloss die Tür, schaltete das Licht aber nicht ein. Er ließ sich auf einen der Lederstühle sinken, legte die Füße auf den Tisch und musterte im Halbdunkel die langen Bücherreihen. Tausende von Büchern. Die gedämpften Stimmen seiner Mutter und ihrer Mandantin ein paar Türen weiter waren kaum zu hören.
    Theo kannte kein anderes Kind, dessen Eltern beruflich zusammenarbeiteten. Und er kannte auch keins, das jeden Tag nach der Schule ins Büro ging. Die meisten seiner Freunde spielten Baseball oder Fußball, gingen schwimmen oder warteten zu Hause auf das Abendessen, während er in der dämmrigen Rechtsbibliothek saß und die Ereignisse der vergangenen Stunde Revue passieren ließ.
    Er liebte den Raum mit dem schweren Geruch des abgewetzten Leders, der alten Teppiche und der verstaubten Gesetzbücher, die bedeutungsschwere Atmosphäre.
    Wie war es möglich, dass er, Theodore Boone, die Wahrheit über den Duffy-Mord kannte? Wieso ausgerechnet er unter allen fünfundsiebzigtausend Einwohnern von Strattenburg? Das größte Verbrechen in der Stadt seit den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts, und Theo war plötzlich mittendrin.
    Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte.

Zehn
    Am Eingang zur Obdachlosenunterkunft in der Highland Street lungerten ein paar heruntergekommene Typen herum. Theo stellte sein Rad ab und ging mit einer höflichen Entschuldigung und metallisch blitzendem Lächeln mitten durch die Gruppe hindurch. Angst hatte er keine, von denen würde keiner einem Kind etwas tun. Der widerliche Geruch von abgestandenem Alkohol hing in der Luft.
    » Hast du ein bisschen Kleingeld, Junge?«, krächzte einer.
    » Nein, Sir«, erwiderte Theo, ohne das Tempo zu verlangsamen.
    Im Untergeschoss saßen Julio und seine Familie noch beim Abendessen. Julios Mutter sprach ganz gut Englisch, war aber offensichtlich überrascht, Theo an einem Mittwochabend zu sehen. Theo erklärte ihr in– seiner Meinung nach– perfektem Spanisch, dass Julio zusätzliche Nachhilfe in Algebra brauchte. Offenbar verstand sie kein perfektes Spanisch, denn sie fragte Julio, was Theo gesagt hatte. Dann fing Hector aus irgendeinem Grund an zu weinen und lenkte sie ab.
    Die Cafeteria war überfüllt und überheizt, und Hector war nicht das einzige weinende Kind. Theo und Julio flüchteten sich in den kleinen Besprechungsraum im Erdgeschoss, in dem Theos Mutter manchmal ihre Mandanten beriet.
    » Hast du mit deinem Cousin gesprochen?«, fragte Theo, nachdem er die Tür geschlossen hatte.
    » Ja. Er hat gesagt, er kommt, aber ich weiß nicht, ob er das wirklich tut. Er hat furchtbare Angst, Theo. Wunder dich nicht, wenn er nicht auftaucht.«
    » Okay. Dann fangen wir mit Algebra an.«
    » Muss das sein?«
    » Julio, du hast lauter Dreien. Das reicht nicht. Du kannst mindestens eine Zwei schaffen.«
    Nach zehn Minuten langweilten sich beide. Theo konnte sich nicht konzentrieren, weil er ständig an Julios Cousin und an die explosive Wirkung denken musste, die dessen Aussage haben konnte. Julio schweifte ab, weil er Algebra hasste. Theos Handy klingelte.
    » Meine Mutter«, sagte er, als er das Gerät aufklappte.
    Sie war auf dem Weg nach Hause und machte sich Sorgen. Er versicherte ihr, dass er sich bester Gesundheit erfreute, mit Julio an dessen Algebraaufgaben saß und rechtzeitig zum Essen vom Chinesen zu Hause sein würde– selbst wenn das Essen kalt wurde. War doch egal, ob er es warm oder kalt aß.
    » Cool, dass du ein Handy hast«, sagte Julio, als Theo das Telefon zugeklappt hatte.
    » Haben viele Kinder in der Schule«, meinte Theo. » Meins ist nur für Ortsgespräche, nicht für Ferngespräche.«
    » Trotzdem cool.«
    » Ist aber nur ein Telefon, kein Computer.«
    » In meiner Klasse hat keiner ein Handy.«
    » Du bist auch erst in der Siebten. Warte bis nächstes Jahr. Was glaubst du, wo dein Cousin steckt?«
    » Komm, wir rufen ihn an.«
    Theo zögerte kurz, aber warum eigentlich nicht? Er konnte nicht die ganze Nacht hier herumsitzen. Nachdem er die Nummer eingegeben hatte, gab er Julio das Telefon, der ein paar Sekunden lang lauschte. » Mailbox.«
    Da klopfte es an der Tür.
    Julios Cousin trug noch seinen Arbeitsanzug,

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