Theo Boone und der unsichtbare Zeuge
Laptop zu, und sie setzten sich an einen kleinen Tisch in der Nähe der ausgelegten Zeitungen und Magazine. Sie wollte reden und schilderte ihm, mehr oder weniger im Flüsterton, was für ein Albtraum es gewesen war, auszusagen, während ein Dutzend Erwachsener mit finsterer Miene an ihren Lippen hing.
Unterrichtsschluss war um 15 . 30 Uhr, und zwanzig Minuten später saß Theo wieder im Gerichtssaal. Er hatte Glück und fand einen Platz neben Jenny, seiner großen Liebe von der Geschäftsstelle des Familiengerichts. Aber sie tätschelte ihm nur das Knie, wie einem knuddeligen Welpen. So was ärgerte Theo immer.
Die Geschworenen waren nicht an ihrem Platz. Richter Gantry war verschwunden. Offenbar war die Verhandlung unterbrochen.
» Was ist los?«, flüsterte er.
» Staatsanwaltschaft und Verteidigung verhandeln im Richterzimmer«, flüsterte sie zurück. Die Frustration war ihr deutlich anzusehen.
» Glaubst du immer noch, dass er schuldig ist?« Seine Stimme war noch leiser geworden.
» Ja. Und du?«
» Keine Ahnung.«
Sie tuschelten ein paar Minuten miteinander, bis sich im vorderen Teil des Saals etwas regte. Richter Gantry war wieder da. Die Vertreter von Anklage und Verteidigung kehrten zurück. Ein Gerichtsdiener ging die Geschworenen holen.
Der nächste Zeuge der Verteidigung war ein Banker. Jack Hogan begann mit einer Reihe von Fragen zu den Darlehen, die Pete Duffy aufgenommen hatte. Es wurde viel von Finanzen, Sicherheiten und Verzug geredet, was für Theo zu hoch war. Als er die Geschworenen beobachtete, stellte er fest, dass die meisten ebenfalls abgeschaltet hatten. Die Zeugenaussage wurde schnell langweilig. Wenn damit nachgewiesen werden sollte, dass Pete Duffy pleite war und Geld brauchte, war der Banker ein lausiger Zeuge.
Es war ein schlechter Tag für die Anklage, das fand zumindest Theo. Als er sich im Sitzungssaal umsah, stellte er fest, dass der unheimliche Omar Cheepe fehlte. Wahrscheinlich war er irgendwo in der Nähe und hatte ein Auge bzw. Ohr auf alles.
Dem Banker war es gelungen, den halben Saal einzuschläfern. Theo drehte sich nach hinten zur Galerie um, die bis auf einen einzigen Zuschauer leer war. Dort oben saß Julio. Er kauerte gebeugt am äußersten Ende der vorderen Reihe, sodass sein Kopf kaum über das Geländer ragte, als wüsste er, dass er dort eigentlich nichts verloren hatte.
Theo drehte sich wieder nach vorn, musterte Zeugen und Geschworene und fragte sich, wieso Julio die Verhandlung verfolgte.
Er wusste etwas.
Als Theo nach ein paar Minuten wieder hinsah, war Julio nicht mehr allein. Omar Cheepe saß direkt hinter ihm, aber Julio merkte offenbar gar nicht, dass er beobachtet wurde.
Neun
Kurz nach 17 . 00 Uhr vertagte Richter Gantry die Verhandlung und rief Anklage und Verteidigung in sein Richterzimmer, wo es vermutlich ziemlich angespannt zugehen würde. Theo lief nach draußen und sah sich nach Julio um, aber der war spurlos verschwunden. Ein paar Minuten später stellte Theo sein Rad hinter der Familienkanzlei ab. Als er ins Büro kam, räumte Elsa gerade ihren Schreibtisch auf, um Feierabend zu machen.
» War’s schön in der Schule, Theo?«, fragte sie mit ihrem üblichen warmen Lächeln und umarmte ihn.
» Nein.«
» Und warum nicht?«
» Schule ist langweilig.«
» Verstehe. Vor allem, wenn gerade Verhandlung ist.«
» Stimmt.«
» Deine Mutter hat einen Mandanten. Und soweit ich hören konnte, übt dein Vater putten.«
» Das hat er auch nötig«, sagte Theo. » Bis dann.«
» Bis morgen, Schätzchen.«
Als Elsa gegangen war, sperrte Theo die Eingangstür hinter ihr ab.
Woods Boone bewahrte einen Putter und ein paar Golfbälle neben seinem Schreibtisch auf. Er übte auf einem alten Orientteppich, der wenig mit einem echten Putting Green gemeinsam hatte. Mehrmals am Tag schlug er ein paar Bälle, » um die Muskeln zu lockern«. Wenn der Schlag danebenging, was ständig passierte, rollten die Bälle vom Teppich auf den Holzboden und machten einen Höllenlärm. Es war vielleicht nicht ganz so laut wie eine Kegelbahn, aber laut genug, um die gesamte Kanzlei unten wissen zu lassen, dass der wackere Golfer oben wieder einmal sein Ziel verfehlt hatte.
» Hallo, Theo«, sagte Mr. Boone. In Wirklichkeit puttete er nicht, sondern saß mit aufgekrempelten Ärmeln an seinem Schreibtisch. Zwischen seinen Backenzähnen steckte eine Pfeife, und vor ihm stapelten sich die Papiere.
» Hallo, Dad.«
» Wie war’s in der Schule?«
»
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