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Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Titel: Theo Boone und der unsichtbare Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Überall lagen Kippen herum. Vielleicht war Cheepe nicht der Einzige, der hier heimlich qualmte. Aber er hatte das Gefühl, dass diese Begegnung kein Zufall war.
    Es war fast 13 . 00 Uhr, als Richter Gantry die Tür zu seinem Büro aufriss und direkt auf die Boones zusteuerte, die wie unartige Schulkinder warteten, die ins Direktorat zitiert worden sind. Er trug weder Robe noch Sakko, nur ein weißes Hemd. Die Ärmel hatte er hochgekrempelt, die Krawatte gelockert. Er wirkte wie ein Mann, der hart arbeitet und einer großen Belastung ausgesetzt ist.
    Die Boones sprangen auf. Der Richter schenkte sich jede Begrüßung. » Ich hoffe, ihr habt gute Gründe«, sagte er nur.
    » Tut uns leid«, begann Mr. Boone. » Wir wissen, wie groß der Druck im Augenblick ist.«
    » Wir müssen uns bei dir entschuldigen, Henry«, setzte Mrs. Boone rasch hinzu. » Aber es geht um eine wichtige Sache, die sich auf das Verfahren auswirken könnte.«
    Dadurch, dass sie ihn mit dem Vornamen ansprach und auf Förmlichkeiten verzichtete, entspannte sich die Atmosphäre etwas. Der Richter mochte noch so gereizt sein, sie ließ sich nicht einschüchtern.
    » Nur fünf Minuten.« Damit griff sie nach ihrer Handtasche.
    Richter Gantry funkelte Theo an, als hätte dieser soeben jemanden erschossen, warf einen Blick auf Ike und lächelte flüchtig. » Hallo, Ike. Lange nicht gesehen.«
    » Allerdings, Henry«, erwiderte Ike.
    Das Lächeln erlosch. » Aber wirklich nur fünf Minuten«, sagte Richter Gantry.
    Eilig folgten sie ihm nach hinten in sein Büro. Als sich die Tür schloss, warf Theo über die Schulter einen Blick auf Mrs. Hardy. Sie tippte vor sich hin, als interessierte es sie gar nicht, worum es bei dem Gespräch gehen sollte. Wahrscheinlich würde sie es binnen einer halben Stunde sowieso erfahren.
    Die vier Boones ließen sich auf Stühlen an einer Seite eines langen Arbeitstischs in einer Ecke des riesigen Büros nieder. Richter Gantry setzte sich ihnen gegenüber. Theo saß zwischen seinen Eltern und fühlte sich bei aller Nervosität geborgen.
    Seine Mutter begann. » Henry, wir haben Grund zu der Annahme, dass es einen Zeugen für den Mord an Myra Duffy gibt. Einen Zeugen, der sich verborgen hält. Einen Zeugen, von dem weder Polizei noch Staatsanwaltschaft etwas wissen. Und schon gar nicht die Verteidigung.«
    » Darf ich fragen, warum Theo dabei ist?« Die Augenbrauen des Richters waren in die Höhe geschossen und zuckten. » Der sollte doch wohl eher in der Schule sein. Das ist keine Angelegenheit für Kinder.«
    Eigentlich wäre Theo im Augenblick wirklich lieber in der Schule gewesen. Andererseits ärgerte es ihn gewaltig, als » Kind« bezeichnet zu werden.
    » Weil ich weiß, wer der Zeuge ist, Richter Gantry«, sagte er bedächtig. » Die anderen kennen ihn nicht, ich schon.«
    Richter Gantrys Augen waren gerötet, und er wirkte sehr müde. Er blies die Luft so lange aus, dass es klang, als müsste er inneren Druck ablassen. Die tiefen Falten auf seiner Stirn wurden flacher und legten sich. » Und was für eine Rolle spielst du dabei, Ike?«
    » Ich bin nur Theos Rechtsberater.« Ike fand das offenbar witzig– im Gegensatz zu den anderen.
    Eine Pause. » Also, warum fangen wir nicht am Anfang an? Ich will wissen, was dieser Zeuge angeblich gesehen hat. Wer kann mir das sagen?«
    » Ich«, erwiderte Theo. » Aber ich habe versprochen, dass ich seinen echten Namen nicht preisgebe.«
    » Wem hast du das versprochen?«
    » Dem Zeugen.«
    » Du hast also mit diesem Zeugen geredet.«
    » Ja, Sir.«
    » Und du glaubst, er sagt die Wahrheit?«
    » Ja, das glaube ich, Sir.«
    Der Richter atmete wieder tief aus und rieb sich die Augen. » Also gut, Theo. Ich höre. Erzähl deine Geschichte.«
    Und das tat Theo.
    Als er geendet hatte, herrschte Schweigen im Raum. Richter Gantry griff langsam nach dem Telefon auf dem Tisch und drückte eine Taste. » Mrs. Hardy, bitte geben Sie dem Gerichtsdiener Bescheid, dass ich dreißig Minuten später komme. Sorgen Sie dafür, dass die Geschworenen im Geschworenenzimmer bleiben.«
    » Wird erledigt«, erwiderte ihre klare Stimme.
    Er ließ sich auf seinen Stuhl zurückfallen. Die vier Boones beobachteten ihn, aber er wich ihren Blicken aus.
    » Und du hast die Handschuhe?« Seine Stimme war leise und sehr ruhig geworden.
    » Die sind in der Kanzlei«, erklärte Mr. Boone. » Wir würden sie gern abgeben.«
    Richter Gantry hob abwehrend beide Hände. » Nein, nein. Jedenfalls noch nicht.

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