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Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Titel: Theo Boone und der unsichtbare Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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stellte. Theo wusste, dass in fünfundsechzig Prozent der Mordprozesse der Angeklagte auf eine Aussage verzichtete, und er wusste auch, warum. Erstens, weil viele Angeklagte schuldig waren und einem intelligenten, harten Kreuzverhör der Staatsanwaltschaft nicht standgehalten hätten. Zweitens, weil viele von ihnen vorbestraft waren und ihr Vorstrafenregister gegen sie verwendet werden konnte, wenn sie in den Zeugenstand traten. Bei jeder Verhandlung versuchte der Richter, den Geschworenen zu erklären, dass der Angeklagte nicht aussagen musste, dass er weder verpflichtet war, irgendwelche Erklärungen abzugeben, noch Zeugen zu seinen Gunsten aufzubieten. Die Beweislast lag bei der Staatsanwaltschaft.
    Theo wusste auch, dass Geschworene misstrauisch werden, wenn ein Angeklagter nicht aussagen will, um seinen Hals zu retten. Ob sie Pete Duffy misstrauten, hätte Theo nicht sagen können. Sie ließen ihn jedenfalls nicht aus den Augen, als er in den Zeugenstand trat, die rechte Hand hob und schwor, die Wahrheit zu sagen.
    Theo konnte das alles sehen, weil er dank Richter Gantry einen Platz ganz nah am Geschehen hatte: in der zweiten Reihe hinter der Verteidigung, mit Ike zu seiner Rechten und seinem Vater zu seiner Linken. Seine Mutter hatte Termine in der Kanzlei. Angeblich konnte sie es sich nicht erlauben, den Nachmittag als Zuschauerin bei einer Verhandlung zu » verschwenden«, wobei den anderen drei Boones klar war, dass sie nichts lieber getan hätte als das.
    Clifford Nance räusperte sich und bat den Angeklagten, seinen Namen zu nennen, eine notwendige, aber in Anbetracht der Umstände ziemlich alberne Formalität. Jeder im Sitzungssaal kannte Pete Duffy und wusste einiges über ihn. Mr. Nance begann mit einer Reihe einfacher Fragen. In aller Ruhe arbeitete er Duffys Hintergrund heraus: familiäre Situation, Ausbildung, Beruf, geschäftliche Tätigkeit, die Tatsache, dass er nicht vorbestraft war, und so fort. Die beiden hatten das stundenlang geübt, und der Zeuge antwortete routiniert. Immer wieder sah er die Geschworenen an und versuchte, einen lockeren Gesprächston anzuschlagen. Vertraut mir, schien er ihnen sagen zu wollen. Er war ein attraktiver Mann im eleganten Anzug, was Theo ein wenig merkwürdig vorkam, weil keiner der fünf männlichen Geschworenen Blazer oder Krawatte trug. Theo hatte ganze Artikel darüber gelesen, welche Kleidung für Anwälte und ihre Mandanten in der Verhandlung strategisch am günstigsten war.
    Das Geplänkel wurde schließlich interessant, als Mr. Nance die Versicherung über eine Million Dollar auf Mrs. Myra Duffy ansprach. Der Zeuge erklärte, er halte viel von Lebensversicherungen. In seiner ersten Ehe habe er als junger Mann mit kleinen Kindern immer gespart, um in eine Lebensversicherung für sich selbst und seine Frau investieren zu können. Lebensversicherungen seien ein wertvolles Mittel, um seine Familie im Falle eines vorzeitigen Todes abzusichern. Als er später seine zweite Frau Myra heiratete, habe er darauf bestanden, ebenfalls eine Lebensversicherung abzuschließen. Myra habe zugestimmt. Tatsächlich sei die Eine-Million-Police ihre Idee gewesen. Sie habe sich absichern wollen, falls ihm etwas zustieß.
    Obwohl er ein wenig angespannt war, wirkte Mr. Duffy glaubhaft. Die Geschworenen hörten aufmerksam zu. Genau wie Theo, der sich immer wieder ins Gedächtnis rief, dass er gerade den größten Prozess in der Geschichte von Strattenburg erlebte. Außerdem ersparte er sich die Schule, und das sogar mit Erlaubnis.
    Von der Lebensversicherung ging Mr. Nance zu Mr. Duffys geschäftlichen Unternehmungen über. Hier sammelte der Zeuge Punkte. Er gab zu, dass einige seiner Immobiliengeschäfte den Bach runtergegangen waren, dass die Banken Druck machten, dass sich mehrere Partner von ihm getrennt hatten und ihm einige Fehler unterlaufen waren. Seine Bescheidenheit war rührend und kam bei den Geschworenen gut an. Sie machte ihn noch glaubwürdiger. Dass ihm auch nur im Entferntesten die Zahlungsunfähigkeit drohte, wies er energisch von sich, wobei er eine eindrucksvolle Reihe von Maßnahmen herunterrasselte, die er zur Eindämmung seiner Schulden und zur Rettung seines Vermögens eingeleitet hatte.
    Einiges davon war für Theo zu hoch, und er hegte den Verdacht, dass manche der Geschworenen auch nicht ganz folgen konnten. Aber das spielte keine Rolle. Clifford Nance hatte seinen Zeugen gründlich vorbereitet.
    Der Hypothese der Anklage zufolge war Geldgier das Motiv

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