Theo Boone und der unsichtbare Zeuge
hatte mit Carola Peña noch nicht darüber gesprochen, weil sie noch bei der Arbeit war. Sie redeten auch über andere Themen, aber Theo konnte nicht alles verstehen.
Baseball kann für Achtjährige, die keinen Schimmer davon haben, ziemlich langweilig sein, und als das fünfte Inning begann, bewarfen sich Hector und Rita mit Popcorn und krochen um die Bänke. Mrs. Boone fragte sie, ob sie Eis wollten, was sie begeistert bejahten. Als sie gegangen waren, trat Theo in Aktion. Er fragte Julio, ob sie sich das Spiel von den Centerfield-Bänken aus ansehen sollten. Der war einverstanden. Sie schlenderten über die Haupttribüne, am Aufwärmbereich der Werfer vorbei und ließen sich schließlich auf den alten Sitzen direkt über dem rechten Centerfield-Zaun nieder. Sie waren allein.
» Mir gefällt die Sicht von hier«, sagte Theo. » Außerdem ist hier nie jemand.«
» Mir gefällt es hier auch«, erwiderte Julio.
Sie redeten eine Weile über den Centerfielder, dann wechselte Theo das Thema. » Hör mal, Julio, wir müssen über deinen Cousin sprechen. Leider fällt mir sein Name nicht mehr ein. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob ich den schon mal gehört habe.«
» Bobby.«
» Bobby?«
» Eigentlich Roberto, aber Bobby gefällt ihm besser.«
» Okay. Heißt er mit Familiennamen Peña?«
» Nein. Seine Mutter und meine Mutter sind Schwestern. Sein Nachname ist Escobar.«
» Bobby Escobar.«
» Sí. Ja.«
» Arbeitet er immer noch auf dem Golfplatz?«
» Ja.«
» Und er wohnt immer noch in Quarry?«
» Ja. Warum fragst du?«
» Weil er im Augenblick eine wichtige Persönlichkeit ist, Julio. Er muss sich melden und der Polizei alles sagen, was er an dem Tag gesehen hat, an dem die Frau ermordet wurde.«
Julio drehte sich um und sah Theo an, als hätte der den Verstand verloren. » Das kann er nicht.«
» Vielleicht doch. Wenn ihm Schutz zugesichert wird. Keine Festnahme. Kein Gefängnis. Weißt du, was das Wort › Straffreiheit ‹ bedeutet?«
» Nein.«
» Also, in diesem Fall würde es heißen, dass er sich mit der Polizei auf einen Handel einigt. Wenn er sich meldet und aussagt, lässt ihn die Polizei im Gegenzug in Ruhe. Er bleibt straffrei. Vielleicht kann er sogar auf legalem Weg Papiere bekommen.«
» Hast du mit der Polizei gesprochen?«
» Natürlich nicht, Julio.«
» Hast du irgendwem von der Sache erzählt?«
» Ich habe nicht verraten, wer er ist. Er ist in Sicherheit, Julio. Aber ich muss mit ihm sprechen.«
Ein Spieler des gegnerischen Teams schlug einen Ball, der vom Zaun hinter dem Rightfield abprallte, und rannte zur Third Base, um ein Triple zu erzielen. Theo musste erklären, dass es ein Unterschied war, ob der Ball über den Zaun ging oder dagegenprallte. Julio sagte, in El Salvador werde nicht viel Baseball gespielt. Hauptsächlich Fußball.
» Wann triffst du Bobby wieder?«, wollte Theo wissen.
» Vielleicht morgen. Normalerweise kommt er sonntags in die Obdachlosenunterkunft, und wir gehen zusammen in die Kirche.«
» Kann ich ihn irgendwie heute Abend noch erreichen?«
» Das weiß ich nicht. Keine Ahnung, was er so treibt.«
» Julio, die Zeit drängt.«
» Was heißt › drängt ‹ «?
» Dass wir nicht viel Zeit haben. Der Prozess geht Montag zu Ende. Es ist wichtig, dass Bobby sich meldet und erzählt, was er gesehen hat.«
» Das glaube ich nicht.«
» Julio, meine Eltern sind beide Anwälte. Du kennst sie. Du kannst ihnen vertrauen. Stell dir vor, sie finden eine Wohnung für dich und deine Familie, einschließlich Bobby, eine nette Wohnung nur für euch, und verbürgen sich gleichzeitig für Bobby, damit er eine Aufenthaltserlaubnis bekommt? Überleg doch mal. Kein Versteckspiel mit der Polizei mehr. Keine Angst vor Razzien der Einwanderungsbehörde. Ihr könnt alle zusammenleben, und Bobby bekommt Papiere. Wäre das nicht toll?«
Julio starrte ins Leere und nahm alles in sich auf. » Das wäre ein Traum, Theo.«
» Dann machen wir jetzt Folgendes: Zuerst einmal musst du dich damit einverstanden erklären, dass meine Eltern eingreifen. Sie sind auf eurer Seite. Sie sind Anwälte.«
» Einverstanden.«
» Gut. Dann musst du Bobby suchen und ihn davon überzeugen, dass das eine gute Sache ist. Mach ihm klar, dass er uns vertrauen kann. Schaffst du das?«
» Ich weiß nicht.«
» Hat er deiner Mutter erzählt, was er gesehen hat?«
» Ja. Sie ist wie eine Mutter für ihn.«
» Gut. Dann soll deine Mutter mit ihm reden. Sie kann ihn bestimmt
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