Theodor: Im Zeichen des Bösen (German Edition)
noch eisiger. Wild flackerten die Kerzenlichter hin und her. Noch wilder tanzten die Schatten an den Wänden, die von den züngelnden Flammen verursacht wurden. Der Pater streckte die Muttergottes weit von sich.
„Geh fort!“, rief er lauthals, sodass sich seine Worte an den Wänden brachen. „Im Namen der Heiligen Jungfrau – geh fort!“ Der Pater drehte sich in alle Richtungen, wobei er die Statue wie einen Schutzschild vor sich hielt. Schweiß perlte sich auf seiner Stirn. Schweiß rann ihm den Rücken hinab. Unaufhörlich tanzten die Schatten an den Wänden, auf dem Boden, auf dem Altar. Überall, wo er hinsah, tanzten sie, schienen ihn anzugrinsen, ihn auszulachen.
„NIEMALS!“, schrie Pater Athelwolds. „Niemals werde ich dir zu Diensten sein. NIEMALS!“ Auf einmal hörte es auf, das Tanzen der Schatten. Die Gesichtszüge des Paters erstarrten. Ihm war, als würden sich sämtliche Schatten in einen einzigen verschmelzen, und Gestalt annehmen. Mächtig ragte dieser Schatten an der Mauer, schien den Geistlichen anzustarren. Die Stimme des Paters versagte. Sei ne Kräfte schwanden, sein Wille sich seinem Gegenüber zur Wehr zu setzen brach. Erschöpft ließ er sich auf die Knie fallen. Langsam, Stück für Stück entglitt ihm die Statue aus den Fingern. Der Pater vernahm nur noch einen dumpfen Schlag, bevor er ohnmächtig in sich zusammensackte. –
Ron hatte seinen Wagen erreicht – und starrte auf die Reifen.
„Abgestochen“, entfuhr es ihm entsetzt. Fassungslos lief er um das Auto. Zwischen Boden und Felgen war nur noch Gummi, das auf die Erde gequetscht wurde. „Ich fass es nicht. Man! Ich glaub‘ ich spinn! Ich glaub‘ mich tritt ein Pferd...“
Plötzlich raschelte es hinter ihm im Gebüsch. Jäh fuhr Ron herum. Es war zu dunkel, um etwas zu sehen...
M itternacht. Helen lauschte noch einige Minuten Bills regelmäßigen Atemzügen. Sie schlug leise die Bettdecke zurück und stieg noch leiser aus dem Bett.
Jogginganzug, Turnschuhe, Taschenlampe. Alles lag schon bereit für ihren nächtlichen Einsatz. Eilig zog sie sich an, nahm noch Bills Dienstwaffe an sich, warf ihm einen Luftkuss zu und schlich sich aus dem Zimmer.
Vorsichtig tastete sie sich der Wand entlang bis hin zur Treppe, die in dämmrigem Licht vor ihr lag.
Knarrrrrr , zerriss das Bersten der Holzstufen die nächtliche Stille. Jede einzelne Stufe hätte sie verwünschen mögen, bis sie endlich das Foyer erreicht hatte. Für mehrere Augenblicke hielt sie den Atem an und lauschte.
Totenstille. Niemand schien sie gehört zu haben.
Den Atem anhaltend drückte sie die Hoteltür vorsichtig auf. Sie war nicht verschlossen.
Bevor sie jedoch das Freie betrat, entriegelte sie vorsichtshalber eines der Fenster neben dem Eingang. Der Fensterrahmen klemmte ein wenig, demnach konnte es sich nicht selbstständig öffnen. Mit einem zufriedenen Lächeln verließ sie das Hotel.
Kaum fiel die Eingangstür ins Schloss, wurde die Tür von der Küche zum Restaurant geöffnet. Sally. Ihre rechte Hand war in eine Binde eingewickelt. Sofort fiel ihr Blick auf das Fenster, das sich Helen als Noteingang geöffnet hatte.
Zorn blitzte in ihren Augen auf und sie verriegelte hinterlistig das Fenster, als sie Helen erkannte, die hastig über den Parkplatz schritt. In ihren dunklen Klamotten war sie fast nicht zu erkennen.
Kurz darauf verließ auch Sally das Hotel. Ein Fleischermesser blitzte in ihrer Hand. Dasselbe, mit dem sie sich die Fingerkuppe abgeschnitten hatte.
Vorsichtig schlich Helen durch das Gras neben dem Kiesweg, um ja keine Geräusche zu verursachen. Ahnungslos wägte sie sich in Sicherheit .
Beide wurden beobachtet. Jemand kauerte unweit der Friedhofmauer unter einer Lärche und schien sich darüber zu amüsieren, wie Sally Helen behände hinterherschlich. Weder das Messer noch der Revolver entging ihm dabei.
Helen sah sich mehrmals um. Sie konnte weder etwas erkennen noch hören. Das Dorf erschien verlassen. Sally drückte sich gegen einen Baum, an dem Helens Blick nichts ahnend vorüberschweifte.
Obwohl der Eichenflügel des Gotteshauses nur angelehnt war, entschied sie sich für den seitlichen Eingang.
In der Kirche herrschte totale Finsternis. Nicht eine einzige Kerze brannte!
Helen knipste die Lampe an und richtete den Lichtkegel auf den Altar.
Der Altar war, wie sie ihn mit Bill verlassen hatte. Bis auf die Statue, die fehlte. Helen trat weiter in das Innere. Je näher sie dem Opfertisch kam, desto kälter wurde ihr. Sie
Weitere Kostenlose Bücher