Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
war er, wenn er auch ein wahrer Prophet war, doch schuldig und ein solcher, der an dem höchsten Recht sich vergreift (Num. XI. 28). Und hier ist zu bemerken, dass, wenn auch das Volk den Moses erwählt hatte, es doch den Nachfolger an dessen Stelle mit Recht nicht wählen konnte; denn sobald es sein Recht, Gott zu befragen, auf Moses übertragen hatte und ohne Vorbehalt versprochen, ihn als göttliches Orakel anzunehmen, verlor es alles Recht, und es musste Den, welchen Moses zu seinem Nachfolger erwählte, als von Gott erwählt annehmen. Hätte er einen solchen gewählt, der wie er die ganze Verwaltung des Staates gehabt, also das Recht, Gott in seinem Zelte allein zu befragen, und mithin die Macht, Gesetze zu geben und aufzuheben, über Krieg und Frieden zu beschliessen, Gesandte abzuschicken, Richter zu bestellen, einen Nachfolger zu wählen und alle Geschäfte einer unbeschränkten Staatsgewalt zu besorgen, so wäre der Staat ein rein monarchischer gewesen, mit dem alleinigen unterschied, dass der gewöhnliche monarchische Staat auf einen dem Monarchen selbst unbekannten Beschluss Gottes, der jüdische Staat aber auf einen nur dem Monarchen offenbarten Beschluss Gottes in bestimmter Weise regiert wurde oder regiert werden sollte. Dieser Unterschied mindert aber des Monarchen Eigenthum und Recht gegen Alle nicht, sondern vermehrt es vielmehr, und das Volk ist in beiden Staaten gleich untergeben und mit dem göttlichen Beschluss unbekannt; denn in beiden hängt dies von dem Munde des Monarchen ab, und das Volk weiss nur durch ihm, was Recht und Unrecht ist, und der Glaube des Volkes, dass der Monarch nur nach den ihm offenbarten Beschlüssen Gottes regiere, macht es demselben nicht weniger, sondern in Wahrheit mehr unterthan.
Moses erwählte jedoch keinen solchen Nachfolger, sondern liess den Nachfolgern eine solche Art der Verwaltung, dass man sie weder eine demokratische noch aristokratische noch monarchische, sondern eine theokratische nennen konnte. Denn das Recht, die Gesetze auszulegen und Gottes Antworten mitzutheilen, war bei dem Einen, und das Recht und die Macht, den Staat nach den ausgelegten Gesetzen und mitgetheilten Antworten zu verwalten, war bei dem Andern (Num. XXVII. 21).
Damit dies deutlicher eingesehen werde, will ich die ganze Staatsverwaltung der Reihe nach beschreiben. Zuerst wurde dem Volke geboten, ein Haus zu bauen, welches gleichsam der Hof Gottes, d.h. jener höchsten Majestät dieses Staates wäre. Dies sollte nicht auf Kosten Eines, sondern des ganzen Volkes erbaut werden, damit das Haus, wo Gott zu befragen sei, gemeinen Rechtens sei. Zu Hofleuten und Verwaltern dieses göttlichen Hofstaats wurden die Leviten erwählt, und ihr Vorsteher und gleichsam der von dem Gott-Könige zweite Gewählte war Aaron, der Bruder Mosis, dem seine Söhne dann nach dem Gesetz nachfolgten. Dieser war deshalb, als der Gott Nächste, der oberste Ausleger der göttlichen Gesetze; er gab dem Volke die Antworten des göttlichen Orakels und betete zu Gott für das Volk. Hätte er dazu noch die Staatsgewalt gehabt, so hätte ihm zu dem unbeschränkten Monarchen nichts gefehlt; allein dies war nicht der Fall, und der ganze Stamm Levi war von der gemeinsamen Staatsgewalt so ausgeschlossen, dass er nicht einmal, wie die anderen Stämme, einen Landstrich hatte, der ihm gehörte, und von dem er hätte leben können. Vielmehr war es eingerichtet, dass er von dem übrigen Volke ernährt, aber immer von dem Volke hochgeehrt wurde, da dessen Stamm allein Gott geweiht war.
Demnächst wurde aus den anderen zwölf Stämmen ein Heer gebildet und ihnen geboten, das Reich der Kananiter zu überfallen, es in zwölf Theile zu theilen und an die Stämme durch das Loos zu gehen. Dazu wurden zwölf Vornehmste ausgewählt, einer aus jedem Stamm, die zugleich mit Josua und dem Hohenpriester Eleazar das Recht erhielten, das Land in zwölf gleiche Theile zu theilen und zu verlosen. Zum Feldherrn des Heeres wurde aber Josua erwählt, welcher in neuen Dingen allein das Recht hatte, Gott zu befragen; aber nicht wie Moses, allein in seinem Zelt, oder in dem Tabernakel, sondern durch den Hohenpriester, dem allein die Antworten Gottes ertheilt wurden. Dann aber hing es lediglich von Josua ab, die durch den Hohenpriester empfangenen Gebote Gottes bekannt zu machen, das Volk dazu zu nöthigen, die Mittel zu deren Ausführung zu erwägen und anzuwenden, zur Miliz so viel und wenn er wollte auszuheben, Gesandte in seinem Namen
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