Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Aufmerksamkeit das Gesetzbuch lesen und durchlesen (Deut. XXXI. 9 u. f.). Die Fürsten mussten daher schon ihretwegen dafür sorgen, dass sie Alles nach den gegebenen Gesetzen, die Alle kannten, verwalteten, wenn das Volk sie ehren und als die Diener der Regierung Gottes und Stellvertreter desselben in Ehrfurcht betrachten sollte. Ohnedem hätten sie den heftigen Hass des Volkes, wie es der theologische zu sein pflegt, auf sich geladen. Zur Hemmung der unbezähmten Willkür der Fürsten kam noch hinzu, dass die Miliz aus allen Bürgern vom 20. bis 60. Jahre ohne Ausnahme gebildet wurde, und dass die Fürsten keine fremden Söldlinge in das Heer aufnehmen durften. Dies war von grosser Bedeutung; denn sicher können Fürsten durch Soldaten, denen sie Sold zahlen, das Volk unterdrücken; auch fürchten sie nichts mehr als die Freiheit der Soldaten, die zugleich Bürger sind, und durch deren Tapferkeit, Arbeit und Aufwand von Blut die Freiheit und der Ruhm des Vaterlandes gewonnen worden ist. Deshalb schalt Alexander vor der zweiten Schlacht gegen Darms nach gehörtem Rath des Parmenio nicht Diesen, der den Rath gegeben, sondern den Polysperchon, der bei ihm stand. Denn er vermochte, wie Curtius 4. Buch 3, 13 sagt, es nicht, den Parmenio, den er bereits vor Kurzem heftig behandelt hatte, nochmals zu verletzen, und er konnte die Freiheit der Macedonier, welche er am meisten fürchtete, nicht eher unterdrücken, als bis er die Zahl der Soldaten aus den Gefangenen weit über die der Macedonier vermehrt hatte. Erst dann konnte er seinem Willen freien Lauf lassen, den er selbst nicht bezwingen konnte, und der lange durch die freie Meinungsäusserung seiner Mitbürger in Schranken gehalten worden war. Wenn sonach diese Freiheit der als Soldaten dienenden Bürger schon die Fürsten weltlicher Staaten in Schränken hält, welche nur nach dem Ruhm der Siege lechzen, so musste sie noch weit mehr die Fürsten der Juden in Zaum halten, da deren Soldaten nicht für den Ruhm des Fürsten, sondern Gottes kämpften und die Schlacht nur begannen, wenn die Antwort Gottes es gebilligt hatte.
Dazu kam, dass alle Fürsten der Juden durch dieses Band der Religion verknüpft waren; wäre Einer von ihr abgefallen, so hätte er das göttliche Recht eines Jeden verletzt und hätte von den Andern als Feind behandelt und mit Recht unterdrückt werden können.
Ferner verband sich damit drittens die Furcht vor einem neuen Propheten. Denn sobald Einer von gutem Lebenswandel durch die anerkannten Zeichen sich als Prophet erwiesen hatte, so erlangte er damit die höchste Gewalt, d.h. er konnte wie Moses im Namen Gottes, der ihm allein sich offenbarte, sprechen und brauchte nicht wie die Fürsten die Vermittlung des Hohenpriesters. Unzweifelhaft konnten solche Propheten das unterdrückte Volk leicht an sich ziehen und durch leichte Zeichen nach ihren Absichten stimmen. Verwaltete dagegen der Fürst die Geschäfte gut, so konnte er in Zeiten sorgen, dass der Prophet zuvor vor Gericht ihm Rechenschaft geben musste und von ihm geprüft wurde, ob sein Lebenswandel gut, und ob er sichere und zweifellose Zeichen seiner Sendung habe, und ob das, was er Namens Gottes verkünden wollte, mit der angenommenen Lehre und den allgemeinen Gesetzen des Landes übereinstimme. War dies nicht der Fall, oder die Lehre eine neue, so konnte er ihn im Wege Rechtens zum Tode verurtheilen; im Uebrigen wurde er auf das blosse Ansehn und Zeugniss des Fürsten zugelassen.
Dazu kam viertens , dass der Fürst den übrigen Vornehmen nicht vorging, und dass die Herrschaft ihm nicht durch Erbrecht, sondern nur wegen seiner Tugend und seines Alters gebührte.
Endlich kam hinzu, dass die Fürsten und die ganze Miliz den Krieg nicht mehr als den Frieden lieben konnten, da die Miliz, wie gesagt, nur aus den Bürgern bestand, und daher die Geschäfte des Krieges von denselben wie die Arbeiten des Friedens besorgt wurden. Der Soldat im Lager war auch der Bürger auf dem Markte; der Hauptmann im Lager war der Richter im Gericht, und der Feldherr im Lager war der Fürst im Staate. Deshalb verlangte Niemand nach Krieg um des Krieges, sondern um des Friedens willen und zum Schutz der Freiheit, und der Fürst mochte sich auch schon deshalb von neuen Unternehmen fern halten, weil er dann den Hohenpriester nicht anzugehen und vor ihm gegen seine eigene Würde stehen zu müssen brauchte.
So viel über die Gründe, welche die Fürsten in den Schranken hielten. Es ist nun zu
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