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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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lieber sterben als leben wollten. Der Aufstand hatte zwar aufgehört, aber die Eintracht war nicht eingetreten. Die Bibel bezeugt dies Deut. XXXIII. 21, wo Gott, nachdem er dem Moses verkündigt, dass das Volk nach seinem Tode von dem göttlichen Dienst abfallen werde, ihm sagt: »Denn ich kenne sein Begehren, und was es heute vorbereitet, so lange ich es noch nicht in das Land geführt haben werde, wie ich geschworen habe.« Und bald darauf sagt Moses dem Volke: »Denn ich kenne Euren Aufruhr und Euren Ungehorsam. Wenn Ihr, so lange ich mit Euch gelebt habe, aufrührerisch gegen Gott gewesen seid, so werdet Ihr es nach meinem Tode noch mehr sein.«
     
    Und so geschah es auch wirklich, wie bekannt ist. Daher kamen die vielen Neuerungen, die grosse Ausgelassenheit, Ueppigkeit und Sorglosigkeit, wodurch Alles schlimmer zu werden begann, bis sie nach häufigen Unterjochungen das göttliche Recht völlig brachen und nach einem sterblichen König verlangten, damit der Königssitz des Reiches kein Tempel, sondern ein Hof sei, und alle Stämme nicht mehr gemeinsame Bürger durch das göttliche Recht und Hohepriesterthum, sondern durch den König wären. Dies gab starken Anlass zu neuem Aufruhr, woraus zuletzt der Untergang des ganzen Staates hervorging. Denn was können die Könige weniger ertragen, als ein bittweises Regieren, wo sie über ihre Herrschaft noch eine andere sich gefallen lassen sollen? Erst wurden sie aus den Bürgern erwählt und waren mit der Würde, zu der sie gelangt, zufrieden; allein nachdem die Söhne die Herrschaft vermöge des Erbrechts erlangten, begannen sie allmählich Alles zu verändern, damit sie die Herrschaft allein hätten, deren grösseren Theil sie entbehrten, so lange die Gesetzgebung nicht von ihnen ausging, sondern von dem Hohenpriester, welcher die Gesetze in dem Heiligthum verwahrte und dem Volke erklärte. Dadurch waren sie wie Unterthanen an die Gesetze gebunden und konnten sie nicht abschaffen oder neue mit gleichem Ansehn geben. Das Recht der Leviten schloss die Könige ebenso wie die Unterthanen als Laien von der Verwaltung der Heiligthümer aus, und die ganze Sicherheit ihrer Herrschaft hing von dem Willen blos eines Einzigen ab, der als Prophet galt, wovon sie die Beispiele schon erlebt hatten. Denn Samuel gab dem Saul mit grosser Freiheit Befehle und konnte leicht wegen eines Fehltrittes Saul's die Herrschaft auf David übertragen. Deshalb hatten die Könige einen Herrscher über ihrer Herrschaft und regierten nur bittweise.
     
    Um dies zu beseitigen, liessen sie andere Tempel und Götter einweihen, damit die Leviten nicht mehr befragt zu werden brauchten; dann suchten sie nach Personen, die im Namen Gottes weissagten, damit sie Propheten hätten, welche sie den wahren gegenüberstellen könnten. Allein alle ihre Versuche erreichten nicht den Zweck; denn die Propheten waren auf Alles vorbereitet und warteten die passende Zeit ab, nämlich den Eintritt des Nachfolgers, dessen Herrschaft, so lange noch das Andenken des Vorgängers lebendig bleibt, immer schwankend ist. Dann konnten sie leicht, auf die göttliche Autorität gestützt, irgend einen feurigen und durch Tugend ausgezeichneten König einführen, der das göttliche Recht wiederherstellen und die Herrschaft oder einen Theil desselben mit Recht besitzen konnte. Aber auch die Propheten konnten damit nicht weiter kommen; denn wenn sie auch den Tyrannen loswurden, so blieben doch die Ursachen, und das Ergebniss war, dass sie mit vielem Blutvergiessen nur einen neuen Tyrannen sich erkauft hatten. Deshalb nahmen die Streitigkeiten und Bürgerkriege kein Ende; die Ursachen für die Verletzungen des göttlichen Rechts blieben immer dieselben und konnten nur mit dem Reiche selbst beseitigt werden.
     
    Damit habe ich dargelegt, wie die Religion in den jüdischen Staat eingeführt worden ist, und wie der Staat sich für immer hätte halten können, wenn der gerechte Zorn des Gesetzgebers dessen Fortdauer gestattet hätte. Da dies nicht geschehen konnte, musste er zuletzt untergehen. Ich habe hier nur von dem ersten Reiche gehandelt; denn das zweite war kaum ein Schatten des ersten, da das Recht der Perser, deren Unterthanen sie waren, in diesem zweiten Reiche galt; und als sie die Freiheit erlangten, maassten die Hohenpriester sich die fürstlichen Rechte an und erlangten dadurch die unbeschränkte Herrschaft. Damit entstand für die Priester eine grosse Versuchung, zu herrschen und das Hohepriesterthum zu gewinnen, und ich

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