Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
brauche deshalb über dieses zweite Reich ein Mehreres nicht zu sagen. Ob aber das erste Reich in seiner dauerhaften Verfassung nachzuahmen sei, oder ob es fromm ist, dasselbe, so weit es angeht, nachzuahmen, wird aus dem Folgenden sich ergeben. Zum Schluss will ich nur hier bemerken, dass, wie ich früher angedeutet, aus dem in diesem Kapitel Angeführten hervorgeht, dass das göttliche Recht oder die Religionsverfassung aus einem Vertrage entspringt, ohne welchen nur das natürliche Recht vorhanden ist. Deshalb waren die Juden zu keiner Frömmigkeit gegen die Völker verbunden, welche an diesem Vertrage keinen Theil genommen hatten, sondern sie hatten nur gegen ihre Mitbürger Pflichten.
Achtzehntes Kapitel
Aus dem Staat und der Geschichte der Juden werden einige politische Lehren abgeleitet.
Obgleich der jüdische Staat, wie ich ihn in dem vorigen Kapitel geschildert habe, für immer hätte bestehen können, so ist doch seine Nachahmung weder möglich noch räthlich. Denn wenn die Menschen ihr Recht auf Gott übertragen wollten, so müssten sie, wie die Juden, mit Gott einen ausdrücklichen Vertrag schliessen, wozu nicht blos die Erklärung der Uebertragenden, sondern auch Gottes nöthig wäre, auf den das Recht übertragen werden soll. Gott hat aber durch die Apostel offenbart, dass der Vertrag mit Gott nicht mehr mit Tinte oder auf steinernen Tafeln, sondern durch den Geist Gottes in die Herzen geschrieben werde. Ferner würde eine solche Staatsform nur für Die nützlich sein, welche für sich allein, ohne auswärtigen Verkehr leben und sich in ihre Grenzen einschliessen und von dem übrigen Erdkreise trennen wollten; nicht aber für Die, welche mit Anderen verkehren müssen. Deshalb kann diese Staatsform nur für sehr Wenige passen. Wenn sie indess auch nicht in Allem nachahmungswerth ist, so hat sie doch Vieles enthalten, was die Aufmerksamkeit verdient, und dessen Nachahmung vielleicht sehr zweckmässig ist. Da ich indess nicht absichtlich über den Staat handeln will, so lasse ich das Meiste davon unerwähnt und will nur das berühren, was in meine Aufgabe fällt. Dahin gehört, dass es nicht gegen das Reich Gottes streitet, wenn der Inhaber der höchsten Staatsgewalt gewählt wird; denn nachdem die Juden ihr Recht auf Gott übertragen hatten, übergaben sie dem Moses die höchste Staatsgewalt. Dieser allein hatte danach das Recht, die Gesetze im Namen Gottes zu erlassen und aufzuheben, die Religionsdiener zu wählen, Recht zu sprechen, zu lehren, zu strafen und Allen Alles unbeschränkt zu befehlen. Ferner erhellt, dass die Religionsdiener, obgleich sie die Ausleger der Gesetze waren, doch nicht Recht sprechen, noch Jemand aus der Gemeinschaft ausschliessen konnten; dies stand nur den Richtern und den aus dem Volke erwählten Fürsten zu (Josua VI. 26, Richter XXI. 18 und 1. Sam. XIV. 20).
Neben diesem findet sich, wenn man auf die Erfolge und Erlebnisse der Juden achtet, noch mehreres Bemerkenswerthes. Erstens gab es bei ihnen keine Religionssekten vor der Zeit, wo die Hohenpriester im zweiten Reiche die Macht der Gesetzgebung und Verwaltung erlangt und zur Befestigung dieser Gewalt das Recht des Fürsten sich angemaasst hatten und Könige heissen wollten. Der Grund liegt auf der Hand. Im ersten Reiche konnten die Beschlüsse ihren Namen von keinem Hohenpriester haben, da er nicht das Recht der Gesetzgebung besass, sondern nur auf Befragen des Fürsten oder des Rathes die Antworten Gottes mitzutheilen hatte. Deshalb hatten sie keinen Anlass, etwas Neues zu beschliessen, sondern sie vertheidigten und verwalteten nur das Gewohnte und Hergebrachte. Nur wenn sie die Gesetze unverletzt erhielten, konnten sie ihre Freiheit selbst gegen den Willen der Fürsten aufrecht erhalten. Nachdem sie aber auch die Macht zur Leitung der Reichsgeschäfte und das fürstliche Recht zu dem Hohenpriesterthum hinzugenommen hatten, begann ihr Bestreben, in Religions- und sonstigen Angelegenheiten einen berühmten Namen sich zu machen, indem sie Alles mit priesterlicher Autorität entschieden und täglich Neuerungen in den Gebräuchen, in dem Glauben und sonst einführten, die ebenso heilig und gültig sein sollten wie die Gesetze Mosis. Dadurch versank die Religion in einen verderblichen Aberglauben, und der wahre Sinn und die Auslegung der Gesetze wurde verdorben. Dazu kam, dass die Hohenpriester in der Zeit, wo sie während der Wiederherstellung des Reichs sich den Weg zu der fürstlichen Gewalt bahnten,
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