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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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Heiden so nannten, wahre Propheten gewesen sind, und dass Die, welche die Bibel häufig anklagt und verurtheilt, falsche Propheten gewesen sind, die die Völker ebenso, wie die falschen Propheten die Juden, betrogen, wie auch aus andern Stellen der Bibel sich ergiebt.
     
    Ich nehme daraus ab, dass die Gabe der Weissagung keine Eigenthümlichkeit der Juden gewesen, sondern allen Völkern zugekommen ist. Die Pharisäer behaupten allerdings eifrig das Gegentheil, und dass die übrigen Völker nur aus einer, ich weiss nicht welcher teuflischen Kraft (denn was erfindet nicht der Aberglaube) die Zukunft vorhergesagt. Die Hauptstelle des Alten Testaments, auf die sie sich zum Beweise dessen berufen, ist Exod. XXXIII. 16, wo Moses zu Gott sagt: »Woran soll man erkennen, dass ich und Dein Volk Gnade vor Deinen Augen gefunden haben? Gewiss, wenn Du von uns gehst, werden ich und Dein Volk von allen Völkern, die auf der Erde sind, getrennt sein.« Sie wollen daraus folgern, dass Moses Gott gebeten, den Juden gegenwärtig zu bleiben und ihnen sich prophetisch zu offenbaren, aber diese Gnade keinem andern Volke zu erweisen. Es wäre indess wahrhaftig zum Lachen, wenn Moses andern Völkern die Gegenwart Gottes nicht gegönnt und Gott um so etwas zu bitten gewagt hätte. Vielmehr verhält es sich so, dass Moses den widerspenstigen Sinn und Charakter seines Volkes kannte und klar einsah, wie sie ohne die grössten Wunder und den besondern äusserlichen Beistand Gottes das Unternehmen nicht vollenden, sondern ohne solche Hülfe zu Gründe gehn würden. Deshalb, damit erhellt, dass Gott sie erhalten wolle, bat er Gott um seinen besondern Beistand. Denn so sagt er XXXIV. 9: »Wenn ich Gnade vor Deinen Augen gefunden habe, o Herr, so gehe, ich bitte Dich, unter uns, denn dieses Volk ist ungehorsam u.s.w.« Hiernach bittet er also ausdrücklich Gott um Hülfe, weil das Volk ungehorsam war, und die Antwort Gottes zeigt noch deutlicher, dass Moses nur diesen äussern Beistand erbeten habe; denn Gott antwortet sofort (daselbst v. 10): »Siehe, ich schliesse einen Bund, dass ich vor Deinem ganzen Volke Wunder verrichten werde, wie sie auf der ganzen Erde nicht geschehen sind und bei keinem Volke u.s.w.« Demnach spricht Moses hier von der Erwählung der Juden nur in dem von mir dargelegten Sinne und hat nur dies von Gott erbeten.
     
    Indess ist in Pauli Briefe an die Römer eine erheblichere Stelle, wo (III. 1) Paulus etwas Anderes, als ich hier, zu lehren scheint, indem er sagt: »Welches ist also der Vorzug von Juda, und was der Nutzen der Beschneidung? ein grosser in aller Weise; das Fürnehmste ist, dass ihm die Aussprüche Gottes anvertraut worden.« Betrachtet man indess die Lehre, welche Paulus vorzüglich darlegen will, so findet sich Nichts, was der meinigen widerspricht; vielmehr lehrt er dasselbe, wie ich, denn er sagt v. 29, dass Gott der Gott der Juden und Heiden sei und (II. 25, 26), »dass wenn ein Beschnittener von dem Gesetz abtrünnig werde, so werde die Beschneidung zur Vorhaut werden, und wenn umgekehrt die Vorhaut das Gesetzesgebot befolge, so werde dessen Vorhaut für Beschneidung gelten.« Dann sagt er (III. 9), dass Alle, die Juden wie die Heiden, in der Sünde gewesen, dass es aber ohne Gebot und Gesetz keine Sünde gebe. Hieraus erhellt deutlich, dass das Gesetz Allen unbedingt (wie auch oben aus Hiob XXVIII. 28 gezeigt worden) offenbart gewesen ist und Alle unter demselben gelebt haben, nämlich das nur die Tugend betreffende Gesetz, und nicht das, was nach den Verhältnissen und der Verfassung eines einzelnen Staates errichtet und dem Geist des besondern Volkes angepasst wird. Endlich folgert Paulus, dass, weil Gott der Gott aller Völker ist, d.h. allen gleich gnädig ist, und alle unter dem Gesetz und der Sünde gewesen sind, dass Gott seinen Christus allen Völkern geschickt habe, um sie alle gleich aus der Knechtschaft des Gesetzes zu erlösen, damit sie ferner nicht mehr des Gesetzgebots wegen, sondern aus eignem beharrlichem Beschluss gut handelten. Paulus lehrt sonach genau, was ich behaupte. Wenn er daher sagt: »nur den Juden seien die Aussprüche Gottes anvertraut worden«, so heisst dies entweder, dass nur sie mit einem geschriebenen Gesetz betraut worden, die andern Völker aber nur mit einem durch Offenbarung und im Verstande mitgetheilten; oder man muss annehmen, dass Paulus, indem er nur die möglichen Einwürfe der Juden beachtet, nach der Fassungskraft und den damals herrschenden Meinungen

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