Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
derselben antwortet; denn nach dem, was er theils gesehen, theils gehört hatte, war er ein Grieche mit den Griechen und ein Jude mit den Juden.
Ich habe nun nur noch auf einige Gegengründe zu antworten, aus denen folgen soll, dass die Erwählung der Juden keine bloß zeitliche, auf ihren Staat bezügliche, sondern eine ewige sei. Man sagt, die Juden seien trotz des Verlustes ihres Reiches und ihrer Zerstreuung durch so lange Zeit und trotz ihrer Trennung von allen Völkern, doch erhalten geblieben, was keinem andern Volke begegnet sei. Ferner sollen viele Stellen der heiligen Schriften ergeben, dass Gott sich die Juden in Ewigkeit erwählt habe, und dass sie daher auch nach dem Verlust ihres Reiches die Auserwählten Gottes bleiben. Diese Stellen sind hauptsächlich: 1) Jerem. XXXII. 36, wo der Prophet bezeugt, dass der Same Israels in Ewigkeit das Volk Gottes bleiben werde, indem er sie mit der festen Ordnung der Himmel und der Natur vergleicht; ferner 2) Ezechiel XX. 32 u. f., wo er sagen will, Gott werde, trotzdem dass die Juden absichtlich den Dienst Gottes verlassen hätten, sie doch aus allen Ländern, in die sie zerstreut worden, wieder sammeln und in die Wüste der Völker, wie er deren Vorfahren in die Wüsten Aegyptens geführt, und endlich von da werde er, nachdem er die Widerspenstigen und Abtrünnigen gesondert, sie zum Berge seiner Heiligkeit führen, wo der ganze Stamm Israels ihn verehren werde.
Die Pharisäer pflegen zwar noch einige andere Stellen anzuführen, indess glaube ich, es wird genügen, wenn ich auf diese beiden antworte, was leicht geschehen kann, nachdem ich aus der Bibel nachgewiesen haben werde, dass Gott die Juden nicht in Ewigkeit auserwählt, sondern nur unter den Bedingungen, wie früher die Kananiter, die auch, wie gezeigt worden, Hohepriester hatten, welche Gott gläubig verehrten, und welche Gott doch wegen ihrer Ueppigkeit, ihrer Trägheit und ihres schlechten Gottesdienstes verwarf. Moses ermahnt nämlich (Lev. XVIII. 27, 28) die Israeliten, sich nicht mit Unzucht zu beflecken, wie die Kananiter, damit nicht die Erde sie ausspeie, wie sie es mit jenen Völkern that, die dieses Land bewohnten, und er droht ihnen (Deut. VIII. 19, 20) ausdrücklich den völligen Untergang, indem er sagt: »Ich sage Euch heute, dass Ihr gänzlich untergehen werdet, wie die Völker, welche Gott aus Eurer Gegenwart hat untergehen lassen, so werdet Ihr untergehn«. In dieser Weise finden sich noch andere Stellen in den Büchern Mosis, die ausdrücklich sagen, dass Gott nicht unbedingt und nicht in Ewigkeit das jüdische Volk erwählt habe. Wenn daher die Propheten ihnen ein neues und ewiges Bündniss mit dem Gott der Erkenntniss, Liebe und Gnade voraussagten, so erhellt leicht, dass dies nur den Frommen galt; denn in dem eben erwähnten Kapitel des Ezechiel heisst es ausdrücklich, dass Gott die Widerspenstigen und Abtrünnigen von ihnen sondern werde, und in Zephania III. 12, 13 heisst es, dass Gott die Hoffärtigen aus ihrer Mitte nehmen und nur die Armen übrig lassen werde. Da nun diese Erwählung sich nur auf die wahre Tugend bezieht, so kann sie nicht blos den frommen Juden mit Ausschluss der übrigen versprochen sein, sondern die wahren Propheten der Heiden, die, wie gezeigt, bei allen Völkern bestanden haben, werden dasselbe auch den Getreuen ihrer Völker verheissen und sie damit getröstet haben. Deshalb ist dieser ewige Bund mit dem Gott der Erkenntniss und Liebe ein allgemeiner, wie auch aus Zephania III. 10, 11 klar erhellt.
Hiernach bestellt hier kein Unterschied zwischen Juden und Heiden und für jene keine andere, als die bereits erwähnte, besondere Erwählung. Wenn die Propheten diese Erwählung, die blos die wahre Tugend betrifft, mit Opfern und andern Gebräuchen und mit dem Wiederaufbau des Tempels und der Stadt vermengen, so haben sie nach der Sitte und Natur der Weissagung die geistigen Dinge durch solche Wendungen erläutern wollen, dass sie den Juden, deren Propheten sie waren, zugleich die Herstellung des Reichs und Tempels, die zu Cyrus' Zeit zu erwarten sei, andeuteten. Deshalb haben die heutigen Juden durchaus nichts vor den andern Völkern voraus, und wenn sie so viele Jahre in der Zerstreuung ohne Reich ausgehalten haben, so ist dies nicht auffallend, da sie sich von allen Völkern abgesondert und sich den Hass aller aufgeladen haben, und dies nicht blos in äussern, den andern Völkern widersprechenden Gebräuchen, sondern auch in dem Zeichen der
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