Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
diese Offenbarung blos für Adam und blos wegen des Mangels seiner Einsicht ein Gebot, und Gott nur deshalb Gesetzgeber oder Fürst; und aus diesem Grunde, wegen Mangels an Einsicht waren die zehn Gebote nur in Bezug auf die Juden ein Gebot. Denn nur weil sie Gottes Dasein und ewige Wahrheit nicht erkannt hatten, mussten sie das, was ihnen in den zehn Geboten offenbart wurde, nämlich dass Gott ist und allein anzubeten ist, als ein Gebot auffassen; hätte aber Gott ohne Anwendung körperlicher Mittel und unmittelbar zu ihnen gesprochen, so würden sie dies nicht als ein Gebot, sondern als eine ewige Wahrheit aufgefasst haben.
Das hier über die Israeliten und Adam Gesagte gilt von allen Propheten, die im Namen Gottes Gebote erlassen haben; sie haben nämlich die Beschlüsse Gottes nicht zureichend, wie ewige Wahrheiten, erfasst. So muss man z.B. selbst von Moses sagen, dass er aus der Offenbarung oder aus den ihm offenbarten Grundlagen die Weise erkannt habe, wie das israelitische Volk in einem gewissen Landstriche am besten vereint werden und eine rechte Gemeinschaft oder Staat errichten könne; ebenso die Weise, wie das Volk am besten zum Gehorsam angehalten werden könne; aber es ist ihm nicht geboten und offenbart worden, dass diese Weise die beste sei, noch dass aus dem gemeinsamen Gehorsam des Volkes in solchem Lande nothwendig das Ziel sich ergeben werde, nach dem sie strebten. Deshalb verordnete Moses dieses Alles nicht als ewige Wahrheiten, sondern als Gebote und Einrichtungen und als Gesetze Gottes, und deshalb wurde Gott als mildthätiger und gerechter Regierer, Gesetzgeber und König vorgestellt, während dies doch Alles nur Eigenschaften der menschlichen Natur und von der göttlichen Natur ganz abzuhalten sind. Dies galt indess nur von den Propheten, die im Namen Gottes Gesetze erliessen, aber nicht von Christus. Vielmehr muss man von Christus, wenn es uns auch scheint, dass er ebenfalls Gesetze im Namen Gottes gegeben, doch annehmen, er habe die Sache wahrhaft und zureichend erkannt; denn Christus war nicht sowohl Prophet, als der Mund. Gottes. Denn Gott hat durch den Geist Christi, wie im ersten Kapitel gezeigt worden, sowie früher durch Engel, d.h. durch eine erschaffene Stimme, durch Gesichte u.s.w. dem Menschengeschlecht Mehreres offenbart. Deshalb wäre es ebenso verkehrt, anzunehmen, dass Gott seine Offenbarungen den Meinungen Christi anbequemt habe, als dass Gott früher seine Offenbarungen den Meinungen der Engel anbequemt hätte, d.h. denen einer erschaffenen Stimme und der Gesichte, um die zu offenbarenden Dinge den Propheten mitzutheilen. Man konnte nichts Verkehrteres annehmen, zumal Christus nicht blos zur Belehrung der Juden, sondern des ganzen Menschengeschlechts abgesandt worden. Deshalb hätte es nicht zugereicht, dass er seinen Sinn nur den Meinungen der Juden anbequemt hätte, sondern er hätte ihn den allgemeinen Ansichten und Urkunden des Menschengeschlechts, d.h. den gemeinsamen und wahren Begriffen anbequemen müssen. Vielmehr muss daraus, dass Gott sich Christus oder dessen Geist unmittelbar offenbart hat und nicht, wie den Propheten, durch Worte und Bilder, entnommen werden, dass Christus die Offenbarungen wahrhaft erfasste oder erkannte; denn eine Sache wird dann eingesehn, wenn sie mit dem reinen Verstande ohne Worte und Bilder aufgefasst wird. Christus hat deshalb die Offenbarungen wahrhaft und zureichend erfasst, und wenn er sie wo als Gesetze ausspricht, so thut er dies wegen der Unwissenheit und Hartnäckigkeit des Volkes. Er handelte in dieser Hinsicht wie Gott, dass er sich dem Verstande des Volkes anbequemt, und er hat deshalb zwar etwas deutlicher als die übrigen Propheten gesprochen, allein er theilte doch die Offenbarungen dunkel und meist in Gleichnissen mit, namentlich wenn er zu Solchen sprach, denen das Verständniss des Himmelreiches nicht gegeben war (Matth. XIII. 10 u. f.). Dagegen hat er unzweifelhaft Denen, welchen die Erkenntniss der Geheimnisse des Himmels gegeben war, die Dinge wie ewige Wahrheiten gelehrt und nicht in Gesetze gekleidet, und er hat sie so von dem Zwange des Gesetzes befreit und dennoch das Gesetz mehr bestätigt und befestigt und ganz ihren Herzen eingeprägt. Auch Paulus scheint dies in einigen Stellen anzudeuten; so im Brief an die Römer VII. 6 und III. 28. Indess will auch er nicht offen sprechen, sondern, wie er selbst III. 5 und VI. 19 dieses Briefes sagt, in menschlicher Weise. Dies sagt er ausdrücklich, wo er Gott gerecht
Weitere Kostenlose Bücher