Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
einer Eigenschaft der Ursache enthält, so erkennen wir das Wesen Gottes, das die Ursache von Allem ist, um so vollkommner, je mehr man die natürlichen Dinge erkennt. So hängt unsere ganze Erkenntniss, d.h. unser höchstes Gilt, nicht blos von der Erkenntniss Gottes ab, sondern besteht Überhaupt darin. Dies ergiebt sich auch daraus, dass ein Mensch nach der Natur und Vollkommenheit einer Sache, die er vor andern liebt, vollkommner ist, und daher derjenige Mensch am vollkommensten ist und an der höchsten Seligkeit am meisten Theil nimmt, welcher die geistige Erkenntniss Gottes, als des vollkommensten Wesens, über Alles liebt und sich daran am meisten erfreut.
So läuft unser höchstes Gut und unsre Seligkeit auf die Erkenntniss und Liebe Gottes hinaus. Deshalb können die Mittel, welche dieses Ziel aller menschlichen Handlungen, nämlich Gott selbst verlangt, soweit dessen Vorstellung in uns ist, die Gebote Gottes heissen, weil sie gleichsam uns von Gott selbst, soweit er in unsrer Seele besteht, vorgeschrieben worden sind, und deshalb heisst die Lebensweise, die dieses Ziel vor Augen hat, mit Recht das göttliche Gesetz. Welche Mittel dies nun sind, und welche Lebensweise dieses Ziel verlangt, und wie daraus die Grundlagen der besten Staatsgemeinschaft, sowie der Verkehr zwischen den Menschen hervorgehen, das gehört zur allgemeinen Ethik; hier fahre ich nur in Darlegung des Gesetzes überhaupt fort.
Wenn sonach die Liebe zu Gott das höchste Glück und die Seligkeit des Menschen bildet und das letzte Ziel und der Zweck aller menschlichen Handlungen ist, so erhellt, dass nur Derjenige das göttliche Gesetz befolgt, welcher sorgt, dass er Gott liebe; nicht aus Furcht vor Strafen, nicht aus Liebe zu andern Dingen, wie Lust, Ruhm u.s.w., sondern nur, weil er Gott kennt, oder weil er weiss, dass die Erkenntniss Gottes und die Liebe zu ihm das höchste Gut ist. Das Wesen des göttlichen Gesetzes und sein oberstes Gebot ist, Gott als das höchste Gut zu lieben, d.h. wie gesagt, nicht aus Furcht vor einem Uebel oder einer Strafe, nicht aus Liebe zu einem andern Gegenstand, an dem man sich ergötzen kann, denn die Vorstellung Gottes sagt, dass Gott unser höchstes Gut ist, oder dass die Erkenntniss Gottes und seine Liebe das höchste Ziel sind, nach dem alle unsere Handlungen sich richten müssen. Der fleischliche Mensch vermag jedoch nicht dies einzusehen, weil er eine zu nüchterne Kenntniss von Gott hat, und weil er in diesem höchsten Gute nichts findet, was er schmecken oder verzehren könnte, oder was das Fleisch, woran er sich am meisten erfreut, erregte, da es in blosser Spekulation und reinem Verstande besteht. Nur Die, welche wissen, dass die Einsicht und der gesunde Verstand das Vortrefflichste sind, werden dies ohne Zweifel als das Beste erkennen.
Somit habe ich dargelegt, worin das Gesetz hauptsächlich besteht, und welches die menschlichen Gesetze sind, die nach einem andern Ziele streben, wenn sie nicht aus der Offenbarung stammen; denn in dieser Hinsicht werden die Dinge auf Gott bezogen, wie ich oben gezeigt habe, und in diesem Sinne kann das Gesetz Mosis, obgleich es kein allgemeines, sondern nur für die Erhaltung eines Volkes eingerichtet war, doch das Gesetz Gottes oder das göttliche Gesetz genannt werden, sofern man nämlich glaubt, dass es durch das prophetische Licht gegeben worden sei.
Achtet man nun auf das Wesen des natürlichen göttlichen Gesetzes, so ergiebt sich, 1) dass es allgemein ist, oder für alle Menschen gültig; denn wir haben es aus der allgemeinen Natur des Menschen abgeleitet; 2) dass es keiner geschichtlichen Beglaubigung bedarf, mag diese sein, welcher Art sie wolle; denn wenn dieses natürliche göttliche Gesetz aus der blossen Betrachtung der menschlichen Natur sich ergiebt, so ist klar, dass wir es ebenso in Adam wie in jedem andern Menschen, und ebenso in dem mit Andern lebenden wie in dem einsamen Menschen erkennen können, und der Glaube an die Geschichten, wenn er auch noch so fest ist, kann uns weder die Erkenntniss Gottes, noch die Liebe zu ihm gewähren. Denn die Liebe zu Gott geht aus der Erkenntniss desselben hervor; diese Erkenntniss muss aber aus den gemeinsamen Begriffen, die in sich gewiss und bekannt sind, geschöpft werden; deshalb ist durchaus der Glaube an Geschichten nicht dazu nöthig, damit wir das höchste Gut erlangen.
Obgleich somit dieser Glaube an die Geschichten uns die Erkenntniss Gottes und die Liebe zu ihm nicht
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