Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
von Moses beschrieben worden sind. Aus Exod. XXIV. 47 ergiebt sich, dass er ein anderes Buch, »Buch des Vertrages« genannt, 11 den Israeliten vorgelesen hat, als sie den ersten Vertrag mit Gott eingegangen waren. Dieses Buch oder dieser Brief enthält indess nur wenig, nämlich die Gesetze oder Befehle Gottes, welche Exod. XX. 22 bis XXIV. angegeben werden, was Niemand bestreiten wird, der mit gesundem Urtheil und ohne Parteilichkeit dieses Kapitel liest. Es heisst dort, dass sobald Moses die Absicht des Volkes, mit Gott einen Vertrag einzugehen, erkannte, er sofort die Aussprüche und Gesetze Gottes niederschrieb und am frühen Morgen, nach einigen Ceremonien, der ganzen Versammlung die Bedingungen des Vertrages vorgelesen habe, denen das Volk demnächst und nachdem es sie sicher verstanden hatte, vollständig zustimmte. Aus dieser Kürze der Zeit und aus der Absicht, einen Vertrag zu schliessen, folgt, dass dieses Buch nur das wenige hier Erwähnte enthalten haben kann. Es steht endlich fest, dass Moses im vierzigsten Jahre nach dem Auszuge ans Aegypten alle von ihm gegebenen Gesetze dem Volke nochmals erklärt (Deut. I. 5) und es von Neuem dazu verpflichtet (Deut. XXIX. 14) und endlich ein Buch geschrieben hat, was die Erklärung dieser Gesetze und den neuen Vertrag enthielt (Deut. XXXI. 9). Dieses Buch hiess »das Buch des Gesetzes Gottes«; Josua hat es dann vermehrt durch die Erzählung des Vertrages, wodurch das Volk zu seiner Zeit sich von Neuem verpflichtete, und den er zum dritten Male mit Gott einging (Josua XXIV. 25, 26). Da wir nun kein Buch haben, das diesen Vertrag des Moses und den des Josua enthält, so ist offenbar dieses Buch verloren gegangen, oder man muss mit dem Chaldäischen Erklärer Jonathan die Worte der Schrift auf das Tollste willkürlich verdrehen, der dieser Schwierigkeit wegen lieber die Schrift verdrehen, als seine Unwissenheit eingestehen wollte. Er übersetzte nämlich die Worte aus dem Buche Josua (XXIV. 26): »Und es hat Josua diese Worte in das Buch des Gesetzes Gottes eingeschrieben« in das Chaldäische so: »Und Josua schrieb diese Worte und bewahrte sie mit dem Buche des Gesetzes Gottes.« -Was soll man da mit Leuten anfangen, die nur das sehen, was ihnen gefällt? Was ist dies Anderes, als die Schrift selbst verleugnen und eine neue im eignen Gehirne schmieden?
Ich folgere also, dass dieses Buch des Gesetzes Gottes, was Moses verfasste, nicht unsere fünf Bücher Mosis gewesen ist, sondern ein ganz anderes, was der Verfasser der letzteren seinem Werke am passenden Orte einfügte; denn dies ergiebt sich auf das Klarste aus dem oben Gesagten und dem hier Folgenden. Es sagt nämlich im Buch Mosis am angeführten Orte der Verfasser, dass Moses das von ihm geschriebene Buch des Gesetzes den Priestern übergeben und ihnen befohlen habe, es dem ganzen Volke zu bestimmten Zeiten vorzulesen. Demnach kann dieses Buch nicht den Umfang der fünf Bücher Mosis gehabt haben, wenn es in einer Zusammenkunft so verlesen werden konnte, dass Alle es verstanden. Auch darf man nicht übersehen, dass Moses von allen Büchern, die er verfasst hatte, nur dies eine mit dem zweiten Vertrag und Lobgesang, den er später schrieb, damit das ganze Volk ihn lernte, gewissenhaft aufzubewahren und zu bewachen geboten hat. Denn bei dem ersten Vertrag hatte er nur Die, welche anwesend waren, verpflichtet; im zweiten aber auch alle ihre Nachkommen (Deut. XXIX. 14, 15); deshalb befahl er dieses Buch des zweiten Vertrages für die kommenden Jahrhunderte gewissenhaft aufzubewahren und ausserdem auch den Lobgesang, der vorzugsweise die kommenden Jahrhunderte berücksichtigt. Da nun nicht feststeht, dass Moses ausser diesem noch mehr Bücher geschrieben hat, und er nur das Büchelchen des Gesetzes mit dem Lobgesang für die Nachkommen sorgfältig aufzuheben geboten hatte, und da endlich unsere fünf Bücher Mosis Manches enthalten, was Moses nicht geschrieben haben kann, so erhellt, dass Niemand mit Grund, sondern nur gegen alle Gründe, behaupten kann, Moses sei der Verfasser unserer fünf Bücher Mosis.
Vielleicht fragt man aber hier, weshalb Moses nicht auch die Gesetze geschrieben habe, da sie ihm doch zuerst offenbart wurden? d.h. ob er in den vierzig Jahren keines von den von ihm erlassenen Gesetzen niedergeschrieben habe, ausser den wenigen, die in dem Buche des ersten Vertrages enthalten gewesen ? Darauf antworte ich, dass es zwar vernünftig scheint, wenn Moses zur Zeit und da, wo er die
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