Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
aus Gott geboren; wer ihn nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.« Daraus folgt wieder, dass man Niemand für gläubig halten kann oder ungläubig, als nach seinen Werken; sind seine Werke gut, so ist er ein Gläubiger, wenn er auch in den Sätzen von den anderen Gläubigen abweicht; und sind jene schlecht, so ist er ein ungläubiger, wenn er auch in den Worten übereinstimmt; denn mit dem Gehorsam wird auch der Glaube gesetzt, und ein Glaube ohne Werke ist todt. Dies lehrt auch derselbe Johannes in demselben Kap. 3, wo er sagt: »Daraus erkennen wir, dass wir in ihm sind und er in uns, dass er uns von seinem Geiste gegeben hat,« d.h. die Liebe. Denn vorher hatte er gesagt, Gott sei die Liebe, und daraus schliesst er, nach damals angenommenen Grundsätzen, dass der in Wahrheit den Geist Gottes habe, der die Liebe habe. Ja, da Niemand Gott gesehen, so folgert er, dass man Gott nur wahrnehme oder bemerke durch die Liebe gegen den Nächsten, und dass daher Niemand eine andere Eigenschaft Gottes erkennen könne als diese Liebe, soweit man an ihr Theil habe. Wenn diese Gründe nicht unwiderleglich sind, so zeigen sie doch deutlich die Meinung des Johannes; und noch viel deutlicher sagt er dies II. 3, 4 dieses Briefes mit den Worten: »Und daraus wissen wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote befolgen. Wer da sagt, ich kann ihn und seine Gebote nicht befolgen, ist ein Lügner, und es ist keine Wahrheit in ihm.« Und daraus folgt wieder, dass Jene wahre Antichristen sind, welche die rechtlichen und die Gerechtigkeit liebenden Menschen verfolgen, weil sie von ihnen abweichen und mit ihnen nicht dieselben Glaubenssätze vertheidigen. Denn welcher die Gerechtigkeit und Liebe liebt, diese sind, wie wir wissen, dadurch allein Gläubige, und wer die Gläubigen verfolgt, ist ein Antichrist.
Es folgt endlich, dass der Glaube nicht sowohl wahre als fromme Regeln erfordert, d.h. solche, welche die Seele zu dem Gehorsam bewegen; wenn auch darunter viele sind, welche nicht einen Schatten von Wahrheit haben, sobald nur Der, welcher sie glaubt, dies nicht weiss. Denn sonst wäre er widerspenstig. Denn wie wäre es möglich, dass Jemand, der die Gerechtigkeit zu lieben und Gott zu gehorchen strebt, das als göttlich anbetet, von dem er weiss, dass es der göttlichen Natur nicht zukommt. Wohl aber können die Menschen in der Einfalt ihres Herzens irren; die Schrift verdammt nicht die Unwissenheit, sondern nur den Ungehorsam, wie ich gezeigt habe; ja, dies folgt schon aus der blossen Definition des Glaubens, dessen ganzer Inhalt aus der dargelegten allgemeinen Grundlage und nur aus dem Zwecke der Schrift allein entlehnt werden darf, wenn man nicht sein eigenes Belieben einmengen will. Die Schrift verlangt nicht ausdrücklich wahre, wohl aber solche Glaubenssätze, die zum Gehorsam nöthig sind, und die also die Seele in der Liebe des Nächsten befestigen, weshalb allein jede, wie Johannes spricht, in Gott, und Gott in Jedem ist.
Wenn sonach der Glaube eines Jeden nur nach seinem Gehorsam oder Ungehorsam und nicht nach der Wahrheit oder Unwahrheit für fromm oder gottlos gehalten werden kann, und Jedermann weiss, wie verschieden der Geigt der Menschen ist, und nicht Alle in Allem übereinkommen können, sondern verschiedene Meinungen die Menschen bewegen, und dieselben den Einen zur Andacht, den Anderen zum Lachen und Verachten bringen, so folgt, dass zu dem allgemeinen oder katholischen Glauben keine Lehrsätze gehören, über welche rechtliche Menschen uneinig sein können. Denn wo dies der Fall, kann der Lehrsatz für den Einen fromm, für den Anderen gottlos sein, da Alles nur nach den Werken sich entscheidet. Zu dem allgemeinen Glauben gehört daher nur, was der Gehorsam gegen Gott unbedingt fordert, und ohne dessen Kenntniss der Gehorsam unbedingt unmöglich ist; über die Religion aber kann Jeder denken, wie es Jedem am besten scheint, um sich in der Liebe zur Gerechtigkeit zu stärken, da Jeder sich am besten selbst kennen muss. Bei dieser Auffassung bleibt nach meiner Ansicht kein Raum für Streitigkeiten in der Kirche, und ich fürchte mich nicht, die Lehrsätze des allgemeinen Glaubens oder die Grundlagen des Zweckes der ganzen Bibel aufzuzählen, da sie, wie aus dem in diesen beiden Kapiteln Gesagten erhellt, nur dahin zielen, dass es ein höchstes Wesen giebt, was die Gerechtigkeit und Liebe liebt, und dem Alle gehorchen, müssen, wenn sie selig werden wollen, und das sie durch die Hebung
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