Therapielexikon der Kleintierpraxis
vorgestellten akuten Durchfällen handelt es sich um unspezifische Enteropathien. Eine genaue Bestimmung des pathogenen Agens ist schwierig und auch nicht nötig.
Die Hauptsymptome sind i. d. R. Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Polydipsie, abdominaleSchmerzen sowie eine nasse Anogenitalregion durch flüssigen und oft übel riechenden Kot. Die betroffenen Tiere sind schnell dehydriert und können ohne Behandlung innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden (Kaninchen) sterben.
Jede Veränderung der Darmfunktion führt beim Kaninchen zu einer Modifizierung der mikrobiellen Flora im Sinne einer starken Vermehrung der Kolibakterien, (oder) der Clostridien und Kokzidien; bei den Nagern zur Vermehrung der Kolibakterien und/oder der Clostridien. Bei Kaninchen, Hamstern und Meerschweinchen können Durchfälle schwerwiegende Ausmaße annehmen.
Ätiologie der akuten Diarrhö
• Umweltfaktoren:
•Plötzliche Ernährungsumstellung: verdorbenes Futter, zu viel Protein, zu wenig Rohfaser.
•Stress: zu hohe Temperaturen (Kaninchen sind hitzeempfindlich und verfügen bei Temperaturen > 25 °C nicht mehr über eine ausreichende Thermoregulation), Transporte, schlechte Belüftung, fehlende Tränkevorrichtungen, Überpopulation.
•Schlechtes Management beim Absetzen.
Daraus resultieren eine Änderung des pH-Werts und der Darmpassage sowie ein Ungleichgewicht der Darmflora mit Vermehrung der Clostridien und/oder Kolibakterien.
• Iatrogene Faktoren:
•Durch die Verabreichung unpassender Antibiotika wird die Darmflora zerstört (v. a. Anaerobier). Daraus resultiert eine Vermehrung der Clostridien mit Toxinfreisetzung, was wiederum zu einer Nekrose der Darmschleimhaut und einer induzierten Enterotoxämie führt.
•Bei einer digestiven Antibiotikaintoxikation kommt es zu einer Enteritis, einer Typhlitis und 3 – 6 Tage nach Beginn der Behandlung zum Tod.
•Für Kaninchen und Nagetiere sind die meisten Betalaktam-Antibiotika, die Makrolide (außer Spiramycin beim Kaninchen) sowie manche Aminoglykoside toxisch. Tab. 2.46 .
Vorgehensweise bei akuter Diarrhö
• Anamnese: Alter, Erwerbsdatum, Haltungsbedingungen, Auftreten der Symptomatik.
• Klinische Untersuchung:
•Dehydratationsgrad: Hautfaltentest (Dehydratation > 7 % erfordert sofortige Notfallmaßnahmen).
•Körpertemperatur: sowohl Hypo- als auch Hyperthermie sind alarmierend.
•Untersuchung des geblähten Abdomens: intestinale Gasbildung, zäkale Stase, Kokzidiose.
•Gesamteindruck: Brust- oder Seitenlage, Benommenheit, Passivität, starrer Blick.
• Stationäre Aufnahme in schweren Fällen.
• Notfallmaßnahmen:
• Therapie der Hyperperistaltik durch Diät und injizierbare Spasmolytika mit parasympatholytischer Wirkung (Prifiniumbromid, Butylscopolamin) und durch Loperamid. Die atropin-ähnlichen Medikamente dürfen jedoch nicht über mehrere Tage gegeben werden, da sie zu einer lebensbedrohlichen gastrointestinalen Stase führen können (v. a. beim Kaninchen und beim Chinchilla).
• Therapie des Wasser- und Elektolytverlusts:
–Parenterale Rehydrierung: in schweren Fällen mittels Venenkatheter (Kaninchen: Vena cephalica oder Ohrrandvene) oder, falls ein venöser Zugang nicht möglich ist (Nagetiere, sehr stark dehydrierte Kaninchen), intraperitoneal oder intraossär (Tibia, Femur). Als Mittel der Wahl gilt eine Mischung aus ⅔ Ringer-Laktat und ⅓ isotonischer Glukoselösung, 100 ml/kg/24 h, als Infusion, am besten mithilfe eines Perfusors (damit kann der Durchfluss genau geregelt und eine mögliche Hyperhydratation vermieden werden). Kalium (0,5 mmol/kg/h) muss noch zugefügt werden.
•Orale Rehydrierung: Mittels einer Spritze, einer oral eingeführten Schlundsonde oder besser mittels einer Nasen-Schlund-Sonde, die bei Kaninchen und größeren Nagern relativ leicht eingeführt werden kann (Durchmesser 2 – 3 mm), gibt man Wasser, Infusionen, Fertigprodukte
(Critical Care®),
orale Elektrolyte in Form von Pasten, löslichem Pulver (Waltham Feline,
Canine Rehydratation Support®)
und Lösungen.
• Weiterführende Untersuchungen: Folgende Untersuchungen sind nach erfolgter Notfallbehandlung sinnvoll, um den Zustand des Tiers einzuschätzen, eine Diagnose und Prognose stellen zu können und eine geeignete Therapie auszuwählen:
•Notfall-Blutbild: Glukose, Hämatokrit, Harnstoff, Gesamtprotein.
•Urinuntersuchung: Proteine, pH-Wert, Dichte.
•Röntgenaufnahme des Abdomens: Untersuchung auf zäkale Stase, oft in Verbindung mit einer
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