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Theres

Theres

Titel: Theres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Sem-Sandberg
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Gewaltimpulsen unmöglich machen, also die Entwicklung von Persönlichkeitstypen von der Art eines Kurras bereits in einem frühen Stadium verhindern.
    Beispiel ( II ): Ein Blatt wie die Bild-Zeitung oder ein anderes von Springers Journalen können ihre Existenz nur legitimieren, wenn sie in kürzest möglicher Zeit die größtmögliche Anzahl von Einzelnummern verkaufen. Das erklärte Ziel, »den einfachen Bürger zu informieren«,wird dann sekundär im Verhältnis zu dem Bedürfnis, von den Ängsten und Phobien des einfachen Bürgers (beispielsweise dem Kommunistenschreck ) zu leben. Was möglich ist: zu beweisen und obendrein davon zu überzeugen, dass die sogenannte »Information« besagte Ängste und Phobien noch verstärkt und somit die »Desinformation« erhöht. Was notwendig ist: die Voraussetzungen für diese Vorurteile und Phobien zu beseitigen (was bedeuten würde, den Grund für eine wahrhaft solidarische Gesellschaft zu legen).
    (… wir fahren mit der Berichterstattung von dem Verkehrsunfall bei Wilmersdorf fort. Noch gibt es keine Informationen, dass giftiges Gas ausgetreten sein könnte, doch rufen wir alle Verkehrsteilnehmer auf, sich, wenn möglich, von dem Bereich fernzuhalten.)
    Beispiel ( III ): Ist es nicht möglich, beispielsweise Untreue mit dem Typ des bis zur Hysterie getriebenen Konsumtionshungers, den u. a. Marcuse analysiert hat, gleichzustellen: will sagen, dass man ausgehend von einem von oben aufgezwungenen Gefühl des Unbefriedigtseins ständig nach neuen Sensationen, Eroberungen sucht? Möglich : Männer wie Klaus daran zu hindern, ihr Unbefriedigtsein und ihren ständig ungestillten Machthunger in weiblicher Gesellschaft auszuleben. Notwendig : ein Gemeinwesen zu schaffen, in dem Menschen nicht austauschbar sind und die Bedürfnisbefriedigung an ein Subjekt und nicht an ein oder mehrere (degradierte und entpersonifizierte) Objekte gebunden ist. ( So dass »Klein-Klaus« für immer mit seiner Ulrike zusammen sein kann. )
    Wittenbergplatz. Der Verkehr ist völlig zum Erliegen gekommen. Das Radio spielt ( Good … good … good vibrations! ). Junge Leute drängen sich zwischen die Autos. Stehen die allzu dicht, scheut sich niemand, einfach darüber hinwegzuklettern. Ein junger Mann mit langen zotteligen Haaren, an einem geflochtenen Lederriemen hängt ihm eine ausgefranste Tasche über der Schulter, wummert mit beiden Händen auf die Frontscheibe ihres Wagens. Hebt dann zwei Finger zum V-Zeichen. Ulrike legt sich mit ihrem ganzen Arm auf die Hupe:
    Bewegt euch endlich, verdammt!
    *
    Und während wir auf die Nachrichten warten, ist jetzt ein weiterer Teil unserer Folge FANTASTISCHE FAKTEN an der Reihe:
    Zu allen Zeiten haben die Menschen von einer BESSEREN WELT geträumt. Meist waren diese Träume an die verschiedensten Vorstellungen vom Paradies geknüpft und galten dem Dasein jenseits dieser Erdenwelt. Doch mit der Entwicklung der modernen Wissenschaft verbinden sich unsere Mythen immer enger mit physikalischen Erklärungen des tieferen Zusammenhangs und der Ursache aller Dinge. Das Paradies rückt immer näher. Im frühen 18. Jahrhundert gelang es beispielsweise dem französischen Ingenieur HENRI GAUTIER (1660-1737), indem er einige cartesianische Gravitationstheorien mit Experimenten mittels eines Quecksilberthermometers kombinierte, zu zeigen, dass die Gravitation 1.195 Klafter unter dem Meeresspiegel ihren NULLPUNKT erreicht, um dann NEGATIV zu werden. Weitere 1.195 Klafter tiefer sollte man demnach ein INNERES MEER finden, welches das Spiegelbild des darüber liegenden darstellte. Die beiden Ozeane trafen laut Gautier an den Polen aufeinander. Obgleich diese Theorie seit langem von der Wissenschaft verworfen ist, hat sie sich in den schöngeistigen Werken, die unsere Mythen verwalten, bei Autoren wie JULES VERNE und EDGAR RICE BURROUGHS als ungewöhnlich überlebenstauglich erwiesen. Vielleicht kann man darin ein geglücktes Zusammentreffen der christlichen Erlösungslehre und des dem Menschen innewohnenden Weltverbesserereifers sehen: Dass man, wenn man nur tief genug sinkt, am Ende einen Punkt erreicht, an dem sich die Welt um einen herum aufs Neue bildet. 1.195 Klafter unter dem Nullpunkt leuchtet dieselbe Sonne, herrschen dieselben physikalischen Gesetze, mit dem Unterschied, dass alle Fehler und Mängel von DA OBEN nun HIER UNTEN auf mirakulöse Weise korrigiert sind. Nehmen Sie diese Worte als Trost, liebe Hörer, und segeln Sie in Frieden auf Ihren inneren Meeren.

Ein

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