Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Theres

Theres

Titel: Theres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Sem-Sandberg
Vom Netzwerk:
Nachmittag wieder ), und wir hätten gesehen, wie er den Mädchen den Rücken zudreht und zurücktrottet. Die beiden setzen sich an einen Tisch in der Eingangshalle. Die Mädchen (als Linke außer Hörweite ist): Wir warten hier solange. Die Kamera zoomt ihre Taschen heran, aus denen die Griffe zweier Tränengaspistolen ragen.
    *
    (Ulrike zu Andreas, Andreas zu Ulrike)
    ULRIKE : Vergiss nicht, dass du mich nicht kennst.
    ANDREAS : Was heißt nicht kennen, wir sitzen doch hier.
    ULRIKE : Ich soll schließlich genauso verwundert wirken wie du, wenn er kommt …
    ANDREAS : Was für ein verdammter »Er«?
    ULRIKE : Bitte Andreas, wir sind das schon tausend Mal durchgegangen.
    ANDREAS : Aber nie habe ich von einem verdammten »Er« reden hören. Wer ist »Er«?
    ULRIKE : Jemand, den Horst besorgt hat. Versuch ein bisschen leiser zu reden.
    *
    Ulrike blickt verstohlen zur Tür, wo Werner sitzt, gelangweilt, wie es scheint, den Blick mal an die Decke, mal auf den Fußboden gerichtet, auf dem er seine Füße plaziert. Ulrike betrachtet ihn: erst dreht er die Schuhspitzen nach außen, dann nach innen; danach: erneut nach außen. Eine Weile später beginnt er zu pfeifen.
    ANDREAS : Kannst du Blödmann nicht still sein …
    *
    Draußen auf der Straße nähert sich ein Auto; ein wenig später folgt ein weiteres. Beide halten an. Man kann Autotüren zuschlagen hören, Schritte auf dem Schotterweg zum Eingang. Der Ton des Summers. Linke verlässt irritiert sein Büro . In der Eingangshalle bemerkt er die beiden Mädchen, die ihm »nervös und angespannt« erscheinen. Der Anblick der beiden erstaunt ihn, da er sich vollkommen sicher ist, sie erst vor einer halben Stunde abgewiesen zu haben. Ihm kommt der Gedanke: Ich muss vergessen haben, die Außentür abzuschließen. Die Mädchen sehen, was er denkt, und sind vor ihm dort. Großaufnahme ihrer Hände, die versuchen, die Klinke zu ergreifen, als die Tür von außen aufgestoßen wird. Linke hebt den Blick und sieht: einen Mann mit dunkler Kopfmaske. Hinter ihm eine Frau mit roter Perücke. Der Mann hebt eine Waffe, die er in der linken Hand hält (auch in der rechten hat er eine); schreit den beiden Mädchen zu:
    LOS, TEMPO, REIN IN DEN LESESAAL!
    *
    (Ulrike zu Andreas)
    ULRIKE : Sie sind jetzt hier …
    *
    Ein Schuss hallt durchs Gebäude, gefolgt von einem weiteren. Bei dem Geräusch springen die vier im Lesesaal auf. Rascher Schnitt zur Eingangshalle, in der Linke (mehr verwundert als erschrocken) sich den Unterarm seitlich an den Leib presst; er hebt den Arm und sieht, wie sich Blut auf dem Hemd ausbreitet: von der Achselhöhle bis zur Hüfte. Dann der Schmerz, er krümmt sich um ihn zusammen und (während sich der Maskenmann und die Frau mit der Perücke ungeduldig vorbeidrängen) dreht sich um; schleppt sich ins Büro. (Zu den erschrockenen Frauengesichtern dort drinnen: Schnell, raus hier; das ist ein Überfall! )
    Die Tür zum Lesesaal wird aufgestoßen. Die beiden jungen Frauen stürmen hinein und schießen mit den Tränengaspistolen wild um sich. Ein Schritt hinter ihnen: der Maskenmann.
    HÄNDE HOCH,
    DAS IST EIN ÜBERFALL!
    Die Frau mit der roten Perücke ist direkt neben der Tür stehen geblieben. Während sie noch unsicher umherschaut , unschlüssig, wohin sie das Gewehr in ihren Händen richten soll, wirft sich Wegener von hinten auf sie. Packt sie bei den Haaren und bleibt verwirrt mit ihrer Perücke in der Hand stehen. Sein Kollege Günther Wetter hat sich im selben Moment auf den Mann mit der Maske gestürzt.
    Fände das im Fernsehen statt, hätten wir schweren Tränengasnebel im Raum hängen sehen; wir hätten gesehen, wie Werner sich nach der Waffe in der rechten Hand des Maskierten streckt (in der linken hältder die Tränengaspistole); hätten gesehen, wie sich Baader und Meinhof stolpernd zum Fenster in Bewegung setzen; hätten gesehen, wie der Maskierte mit der Tränengaspistole direkt in Werners Gesicht schießt (wie der sich krümmt, blind vor Schmerz; mit einer Hand nach einer Wand oder Tischkante zum Abstützen sucht). Linke, den Ellenbogen in die Seite gedrückt, treibt die Angestellten zum Fenster, das auf den Hinterhof des Instituts hinausgeht. Das Fenster im Lesesaal: nun sperrangelweit offen. Baader und Meinhof springen hinaus, gefolgt von den beiden jungen Frauen; zuletzt die bewaffnete, zuvor mit einer Perücke behängte Frau (jetzt erkennen wir sie, es ist Ensslin !). Die Waffen liegen auf dem Rasen verstreut. Draußen auf der Straße ist in den

Weitere Kostenlose Bücher