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Theres

Theres

Titel: Theres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Sem-Sandberg
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Sie mich in Frieden.
    Frieden? Gibt es nicht, so lange wie –
    Wie was?
    Solange sie darauf bestehen, Krieg gegen den gesamten deutschen Rechtsstaat zu führen, dessen einzige Aufgabe es ist, die Rechte, auf die auch Sie sich stützen, zu schützen und wahrzunehmen.
    Unsere Rechte wahrzunehmen? Mit was für einem Verrückten habe ich denn die Ehre zu sprechen (Wirklich komisch. Zuerst habe ich gedacht, doppelt zu sehen. Jetzt höre ich auch …)
    Sie müssen mir zuhören, Frau Meinhof.
    (Optipyrin, Dolantin, Dolviran:)
    Die anderen Gefangenen haben es genommen, Frau Meinhof.
    Wie oft muss ich noch sagen, dass ich eure Scheiße nicht will. Erst versucht ihr uns auszuhungern, dann versucht ihr es mit Gift. Begreift ihr nicht, dass ich auf eure Tricks einfach nicht reinfalle?
    Verstehen Sie nicht, dass Ihr Schweigen kontraproduktiv ist? Das Interesse der gesamten deutschen Öffentlichkeit ist im Augenblick auf Sie gerichtet. Sie sollten die Gelegenheit ergreifen und zu den Menschen reden, so dass sie den Inhalt von Worten wie »Bewusstsein« und »Besinnung« begreifen. Rom wurde nicht in einer Nacht erbaut, auch die Gesellschaft kann nicht einfach umgestaltet werden, indem man alles über den Haufen wirft und mit scharfer Munition auf Menschen schießt, die nur ihre Pflicht tun.
    Aha. Jetzt verstehe ich, wer hier eingedrungen ist. Es ist der Froschmann, der Amphibienmann, dem kein Sumpf widerlich genug ist, um sich nicht hindurchzuschlängeln. (Am besten, man macht ein Schloss ans Klo, damit er nicht auch noch diesen Weg nutzt!)
    Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Froschmann. Was Sie für Schweigen halten, ist in höchstem Maße Reden im Klartext. Ich spreche von den Drachen, die ich heute vor meinem Fenster sah. Sie ahnen nicht, welche Freude es für mich war zu erkennen, dass es auch an einem so bestialischen und widerwärtigen Ort wie diesem Kinder gibt, die es wagen, sie aufsteigen zu lassen. Ich spreche von dem Abwurf der Napalmbomben auf die Städte Nordvietnams, wo Hunderte von Kindern, die nichts anderes wollen, als ihre Drachen in sauberer, klarer Luft aufsteigen zu lassen, mit entsetzlichen Qualen in Krankenhäusern sterben, denen es an Arzneien und Nahrung fehlt.
    Sie sprechen vom Schweigen, Herr Froschmann; aber das Schweigen ist das Ihre und das Ihrer loyalen Faschistenpresse mit Herrn Springer an der Spitze, die den Zusammenhang nicht sehen können, obwohl er in Blut geschrieben steht an der Wand direkt vor Ihren Augen – für Sie alle existiert er einfach nicht.
    SAGEN SIE EINFACH, WIE ES IST: ES HERRSCHT EIN DENKVERBOT. JAHRZEHNTELANG HAT MAN IHNEN DAS GIFT INJIZIERT, SO DASS SIE NICHT EINMAL DIE OFFENSICHTLICHSTEN ZUSAMMENHÄNGE ERKENNEN, DIE HAARSTRÄUBENDSTEN LÜGEN DURCHSCHAUEN KÖNNEN.
    Ich sage, wie es ist, Herr Froschmann, und ich sage es zu Ihnen, weil Sie der einzige unter den SCHEISSBULLEN sind, der so naiv ist zu glauben, dass Sie sich sowohl hier als auch in Ihrer eigenen Welt befinden können. Ihre Welt ist eine Lüge, und Sie sind der Gefangene: DIE STRUKTUREN HABEN SIE GANZ UND GAR VERSCHLUNGEN , und was Sie für Ordnung und Zusammenhang halten, sind nur die Gitterstäbe des Käfigs, in den man Sie gesperrt hat.
    Sie haben kein Recht, mich anzuklagen, Frau Meinhof.
    Diese Behauptung ist reine Tautologie. Seit wann ist »Recht« von anderen definiert worden als von Schurken wie Ihnen?Und was die Anklagen betrifft, so sind Sie es, die die Aktionen zu verantworten haben.
    Wir haben lediglich auf die Fixpunkte in einem unmenschlichen System hingewiesen.
    Gute Nacht, Herr Froschmann, und tun Sie mir und dem Rest der Menschheit einen Gefallen: Schalten sie das Licht aus, wenn Sie gehen.
    *
    Die Verbindung ist unterbrochen. Herold schlägt die Augen auf und starrt erschrocken in das Licht, das er glaubte, soeben gelöscht zu haben. Im Lichtkorridor vor ihm zeichnen sich zwei schwarz gekleidete Gestalten ab, Walkie-Talkies in den Händen und Waffen im klobigen Schulterhalfter. Sie lächeln, wenn auch steif; als ob ihr Lächeln mehr ein Zeichen als echter Ausdruck des Wohlwollens ist, und als sie das Büro betreten, packen sie seine Arme mit demselben eingeübten Griff wie bei einem Verbrecher, den man unschädlich machen und wegschleppen will. Herold widersetzt sich, bis er endlich einsieht, was die Verbindung ihn kurzzeitig hatte vergessen lassen: Er steht jetzt unter Morddrohung, man hat ihm Personenschutz zugeteilt.
    Sie haben geschrien, Herr Herold , sagt der eine Leibwächter und der andere:

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