Theres
kann sie niemand anderen im Sinn gehabt haben als die Karmeliterin Therese, die allein, isoliert und von ihren Gefährten im Stich gelassen hinauszog und den Katholizismus reformierte. Ein Ort und ein Name: Braucht es mehr? Unfähig, sich länger zu gedulden, schaltet Herold das Tonbandgerät ein und begibt sich hinaus ins Netz:
(Optypyrin, Dolantin, Dolviran:) Möchten Sie etwas für die Nacht, Frau Meinhof?
Oh, sind Sie es, Herr Froschmann? Wie steht’s in der Fäkalienbranche?
Gudrun hat Sie Theres genannt.
Ein Name, der in der Passagierliste nicht auftaucht.
So tief gesunken?
Jetzt machen Sie wohl Scherze?
Wissen Sie, dass man das Wort isolieren vom italienischen »isola« herleiten kann?
Ich verstehe nicht, worauf Sie hinaus wollen.
Auf welcher Insel befinden sie sich, Frau Meinhof?
Auf sämtlichen, von denen Sie glauben, dass ich mich dort nicht befinde.
Jetzt machen Sie Scherze.
Herr Froschmann, es gibt da eine fundamentale Sache, die Sie nicht verstehen. Sie sprechen von Inseln, als seien es Orte, die sich abgrenzen und zweckbestimmen ließen. Doch eine Insel kann auch ein Ruhelager sein. Hier ist keine Intention begraben. Es ist wie bei manchen Sendungen, die man auf der Post in Empfang nimmt: manche haben eine »verlängerte Liegezeit«.
Um dann, wenn sie schließlich abgeholt werden, zu explodieren?
Ich weiß nicht, ob ich das, was Sie sagen, als Zeichen von Naivität oder übertriebenem Respekt deuten soll. Letztgenanntes wäre natürlich schmeichelhaft.
Ich vermute, Sie wissen, dass Ensslin im Begriff ist, sich von Ihnen zu distanzieren.
In welcher Hinsicht?
Die Anwälte wollen aus dem Verfahren einen politischen Prozess machen, nicht wahr?
Es ist ein politischer Prozess. Das kann wohl selbst jemand wie Sie nicht bestreiten. Diejenigen, die meinen, Ordnung und Recht auf ihrer Seite zu haben, definieren die Bedingungen für diejenigen, die eine andere Ordnung und ein menschlicheres Recht anstreben. Was ist politisch, wenn nicht das?
Dann lassen Sie uns sagen, dass manches politischer gesehen werden kann als anderes. Dass man von Seiten der Verteidigung gewillt ist, in diesem Punkt Kompromisse einzugehen.
Schwebt Ihnen etwas Bestimmtes vor?
Das Eingeständnis einer Beteiligung an bestimmten Attentaten, beispielsweise an denen auf die US -Militärhauptquartiere in Frankfurt und Heidelberg, und die Zurückweisung jeglicher Verantwortung für weitere – zum Beispiel auf das Hamburger Springer-Hochhaus.
Aber das ist doch absurd. Springer und seine faschistische Presse sind es doch, die all die Jahre die amerikanische Kriegspropaganda verbreitet haben; von dort stammt das Gift. Wie kann diese Trockenfotze nur etwas anderes behaupten?
Frau Meinhof, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass alles auf Band aufgenommen wird.
Das spielt keine Rolle. Diejenige, die Sie Theres nennen, sagt zu Ihnen heute das eine, morgen, wenn Sie das Band abspielen, etwas anderes.
Frau Meinhof, Sie waren zur entsprechenden Zeit in Hamburg; wir wissen, dass Sie den Bekennerbrief geschrieben haben. Und Ihre Kontakte zu Gerhard Müller und Klaus Jünschke, die wir aus triftigen Gründen verdächtigen, den Polizisten Herbert Schoner beim Banküberfall in Kaiserslautern getötet zu haben, intensivierten sich in dieser Zeit. Wollen Sie angesichts dessen bestreiten …
Es spielt keine Rolle, was ich einräume oder bestreite. Die haben mir ja doch das Recht zu sprechen genommen.
Da bin ich mir nicht so sicher.
Was Sie mir anbieten, ist die Möglichkeit auszusteigen; Sie fahren den Landesteg für mich aus, nicht wahr?
Sie gehören doch nicht mehr der regulären Besatzung an. Das haben Sie doch selbst gesagt.
Was gleichbedeutend wäre mit Verrat! So viel Anerkennung muss ich Ihnen zumindest zollen, Herr Froschmann. Lediglich Sie können es wagen, eine solche Sache derart unverblümt und schamlos vorzuschlagen.
Aber wen verrät Theres? Denken Sie nach, Frau Meinhof?
Was wollen Sie eigentlich?
Tiefer eindringen.
Sie sind bereits weit genug gekommen. Gibt es denn keine Grenze
für Ihr Eindringen?
Nein.
Warum nicht?
Weil es »gegen die Natur« ist. Manche würden es zumindest so formulieren.
In diesem Fall muss ich Sie enttäuschen. Leute wie Sie werden früher oder später stets an eine Grenze kommen, wo bloßes Verständnis nicht reicht. Anderes ist vonnöten, um die Grenze zu überschreiten, und dafür haben Sie, trotz ihrer beträchtlichen Ressourcen, keine Kapazität.
In diesem Fall muss ich diese
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