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Theres

Theres

Titel: Theres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Sem-Sandberg
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zur Arbeit fahren. Es gibt nichts, um die Gedanken zu stützen: lediglich das zerstreute Gerede der Leibwächter und was von Wiesbaden hinter den getönten Scheiben der Limousine sichtbar wird: Menschen in Bewegung, die Bürgersteige hoch und runter, beim rastlosen Warten vor einem Fußgängerüberweg; spiegelnde Schaufensterscheiben, vergitterte Bankfassaden; Stein, Metall. Doch alles: stumm, ohne Inhalt; als würde auch die Außenwelt von Amnesie ergriffen, jetzt, wo die lebenserhaltende Information nicht nach draußen dringt.
    Ein weiterer Kreislauf geschlossen? Auch der höchste Polizeichef des Landes bekommt zu spüren, wie es ist, abgeschnitten, isoliert dazustehen, wenn die Kommunikationsketten unterbrochen oder blockiert sind. Mit einer seltsamen Vorahnung begibt er sich an diesem Morgen ins Netz. Aber auch das Netz hängt schlaff; es zeigt keine Vibrationen. Ungeduldig fährt Herold seine Mitarbeiter an. Undiszipliniert ist eins der Wörter, die er benutzt; unterbesetzt ein anderes; gefolgt von (der späterhin häufig zitierten Sentenz): Man darf die Notwendigkeit nie unterschätzen, auch in Ruhelagen höchste Katastrophenbereitschaft zu wahren. Die Wörter aber fallen leer zu Boden. Stimmen erfordern die Anwesenheit anderer Stimmen, um real und glaubwürdig zu erscheinen. Herold schaltet das Radio ein, loggt sich bei AP , dpa und Reuters ein, deutet das Nachrichtenbild so, dass es »eine ruhige Nacht« gewesen ist (nur die Temperaturen liegen, wie angegeben, ein paar Grad über dem für die Jahreszeit Normalen), und dann, langsam, bildet sich ein Lautraum um die Information, die er regelmäßig sichtet: das beruhigende Geräusch von Fußschritten durch langehallende Gänge, Türen, die geöffnet werden und wieder zuschlagen; Menschen, die leise und ruhig miteinander reden, um dann, genau wie in einem Kinosaal, langsam zu verstummen:
    Frau Meinhof, Sie geben uns die seltene Ehre. Darf ich fragen, was Sie veranlasst, gerade heute den Verhandlungen beizuwohnen?
    Ja, bestimmt ist es nicht das Wetter.
    Herr Vorsitzender, die Verteidigung wünscht eine Beschwerde einzureichen.
    Schon wieder? Aber in Ordnung. Ich bin, wie man sagt, »ganz Ohr«.
    Es betrifft die absichtliche Zerrüttung der Gesundheit der Gefangenen. Die von Sachkundigen genannte Gefahr, dass sich der Gesundheitszustand der Inhaftierten bei weiter andauernder Isolation verschlechtern würde, kümmert die Richter in keiner Weise, die ja ihre eigene Verantwortung für die Zerstörung der Gesundheit der Gefangenen seit langem auf diese selbst abgewälzt haben.
    Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, worauf Sie aus sind, Herr Plottnitz. Der Bundesgerichtshof hat bereits alle Beschwerden gegen die Haftbedingungen mit dem Hinweis auf die Sicherheitsvorschriften zurückgewiesen, die notwendig sind, da die Inhaftierten sich nach wie vor uneingeschränkt zu den Zielen der Rote-Armee-Fraktion bekennen.
    Das ist Gesinnungsjustiz! Wie sollte ein isolierter Gefangener den Justizbehörden deutlich machen, dass er seine Einstellung geändert hat? Wie denn? Wie sollte er das tun in einer Situation, in der jede, absolut jede Lebensäußerung verhindert wird? Für einen Gefangenen in seiner Isolation bleibt nur eine Möglichkeit, die Änderung seines Verhaltens zu signalisieren, und das ist Verrat. Eine andere Möglichkeit, sein Verhalten zu ändern, besteht für den isolierten Gefangenen nicht. Das heißt, dass es in der Isolation zwei Möglichkeiten gibt; entweder …
    Frau Meinhof, ich kann keinen Zusammenhang mehr mit der eingereichten Beschwerde erkennen.
    Entweder bringen Sie einen Gefangenen zum Schweigen …
    Frau Meinhof, ich bitte Sie zur …
    … das heißt, man stirbt daran, oder Sie bringen einen zum Sprechen. Mit einem Geständnis und Verrat. Das ist Folter, nichts anderes als Folter, durch Isolation, definiert von dem Vorhaben, dem Gefangenen Angst einzujagen, um ihn zu bestrafen und zu verwirren.
    *
    Ensslin (flüsternd) zu Baader:
    Habe ich da das schöne Wörtchen Verrat gehört?
    *
    Herold hat ebenfalls eine fertige Auslegung zur Hand (»sie hat den Köder geschluckt, ist bereit auszusteigen«); er ruft Buback an:
    – Siegfried, sag mir, wie viel Blut kann man einem Menschen abzapfen, bevor er das Bewusstsein verliert?
    – Sprechen wir hier von Litern oder von Menschen?
    – Wir sprechen vom RAF -Körper und von Meinhof. Ich glaube sichere Indizien zu haben, dass sie bereit ist auszusteigen.
    – Und da willst du ihr helfen? Horst, du sollst

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