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Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser

Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser

Titel: Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kurzke
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geschrieben hatte: «Ich will die Monarchie», stand zu den revolutionären Vorgängen in München anfangs erstaunlich positiv. «Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Idee des Sozialismus, ja des Kommunismus,
als
Idee die Zukunft gehört.» (29. November 1918) «Meine Teilnahme wächst für das, wasim Spartacismus, Kommunismus, Bolschewismus gesund, menschlich, national, anti-ententistisch,
antipolitisch
ist.» (22. März 1919) «Ich bin imstande, auf die Straße zu laufen und zu schreien ‹Nieder mit der westlichen Lügendemokratie! Hoch Deutschland und Rußland! Hoch der Kommunismus!›» (24. März 1919)
    Das alles zeigt die Macht der Literatur. Die Begeisterung verfliegt zwar, doch können weder die deprimierenden politischen Realitäten noch die stalinistischen Verbrechen die ideelle Grundsympathie für den Kommunismus beseitigen. Immer bleibt da eine Bejahung, die, mit der Brille Dostojewskis die «russische Seele» suchend, noch den schlimmsten Sachverhalten etwas Menschliches abgewinnt. Noch im
Doktor Faustus
, wo der Erzähler einen Vergleich zwischen dem Kommunismus und dem Faschismus anstellt, spielt das Ideelle die entscheidende Rolle: «Die russische Revolution erschütterte mich, und die historische Überlegenheit ihrer Prinzipien über diejenigen der Mächte, die uns den Fuß auf den Nacken setzten, litt in meinen Augen keinen Zweifel.»[ 51 ] Es ist deshalb nicht völlig absurd, daß Thomas Mann hie und da als kommunistischer Schriftsteller galt,[ 52 ] bei den Nazis nämlich,[ 53 ] leider auch beim amerikanischen FBI, in dessen Thomas Mann-Dossier vom «Communistic background» die Rede ist.[ 54 ] Aber es war ein Kommunismus, der nicht von Karl Marx, sondern von Dostojewski kam.

Der Zauberberg
40
Herzensmonarchist und Vernunftrepublikaner
    Die Weimarer Republik hätte der unpolitische Betrachter eigentlich strikt ablehnen müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Gleich im Januar 1919 verweigert er sich dem Ersuchen von zwei Behörden der jungen Republik nicht, dem neuen Deutschland seinen Zuspruch zu gewähren.[ 1 ] Den Verdacht, daß es ihm also gar nicht um die Monarchie gegangen sei, sondern daß er sich einfach nur beugte vor der jeweiligen Macht, kann man nur deshalb entkräften, weil er es 1933, als es wirklich darauf ankam, eben nicht mit der Macht gehalten hat wie so viele Märzgefallene, sondern sich, auch wenn bis zum öffentlichen Outing noch eine Zeit verging, zu einer konsequenten Opposition durchgerungen hat.
    Im Falle der Republik erfolgte dieses Outing weithin sichtbar im Oktober 1922, als Thomas Mann sich zu einem kulturellen Repräsentanten des neuen Staates aufschwang, indem er in Berlin in Anwesenheit von Reichspräsident Friedrich Ebert den Vortrag
Vondeutscher Republik
hielt. Man sieht ihn nun, so wie Gerhart Hauptmann, so wie seinen Bruder Heinrich Mann, an der Seite der regierenden Sozialdemokratie. Vorerst tut er noch so, als läge keine Umkehr vor, und betont die rückwärtige Kontinuität. Vom August 1914, nicht vom November 1918 datiert er sein republikanisches Erleben. Die Wandlung zum Republikaner geschieht nur mit halber Überzeugung. Er bleibt Herzensmonarchist auch als Vernunftrepublikaner – mit diesen Vokabeln startete Friedrich Meinecke[ 2 ] einen Vermittlungsversuch, der es vielen Intellektuellen ermöglichte, ohne ein Gefühl des Verrats dem neuen Staat zu dienen. Auch Thomas Mann geht über diese Brücke und begründet deshalb die Republik nicht aus der Tradition der Aufklärung, sondern – bemüht und verquer – aus der Romantik (mit Novalis), dem Ästhetizismus (Stefan George), dem Vitalismus (Walt Whitman) und versteckt auch aus der Homosexualität, mit Argumenten, die er sich bei George, Whitman und Hans Blüher holt.
    Einige Jahre hält das vor. Auf die Probe gestellt wird der Republikanismus erst in den Jahren des Aufstiegs von Adolf Hitler. Jetzt verschwinden die romantischen Gespinste, und Thomas Mann politisiert sich wirklich. Von 1927 bis 1933 hält er einige große Reden und schreibt zahlreiche Artikel, die sich offensiv und furchtlos mit der nationalsozialistischen Bewegung anlegen. Was die Quantität und die Reichweite seiner Äußerungen anbelangt, ist er, auch wenn es radikalere Autoren gegeben hat, schon damals der bedeutendste antifaschistische Schriftsteller Deutschlands.
41
Reden und Essays
    Der vormals eher scheue Vernunftrepublikaner füllt erstaunlicherweise als politischer Redner große Säle, nicht nur in der Weimarer Zeit,

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