Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
Zeichnungen genau.
Schließlich erhob sich Ariac, schüttete mit einem gespielt vorwurfsvollen Blick auf Rijana die Pilze fort und holte Brot und Käse aus dem Proviantsack. Die beiden aßen eine Weile schweigend und lauschten den nächtlichen Geräuschen von Tieren auf der Jagd. Die Pferde grasten friedlich in der Nähe. Sollte sich Gefahr nähern, würden die sie warnen. Eine Eule flog dicht über ihre Köpfe hinweg, und ein Käuzchen schrie unheimlich in der Nähe.
»Hoffentlich ist Leá gut zurückgekommen«, sagte Rijana unvermittelt.
»Sie kennt sich gut aus, ihr ist sicher nichts geschehen«, erwiderte Ariac beruhigend.
»Ich mag sie sehr«, meinte Rijana seufzend und lehnte ihren Kopf an Ariacs Schulter. »Hoffentlich können wir bald in die Steppe zurückkehren.«
»Das hoffe ich auch«, antwortete Ariac, obwohl er nicht glaubte, dass das so schnell geschehen würde.
Drei Tage lang ritten die beiden weiter nach Westen und anschließend nach Norden. Rijana wurde zunehmend nervös, doch dann glaubte sie, den Fluss zu erkennen, an dem sie als Kind immer gespielt hatte. Sie folgten dem gewundenen kleinen Strom wieder ein wenig nach Süden, und dann, an einem diesigen, kühlen Tag, erblickten sie eine kleine Ansammlung von Hütten. In einem Pferch waren einige Schafe eingesperrt. Ein paar Bauern ernteten auf steinigen Äckern Kartoffeln, und Frauen wuschen ihre Wäsche im Fluss. Rijana parierte Lenya hart durch, sodass die Stute schnaubend stehen blieb.
»Ist das Grintal?«, fragte Ariac leise.
Rijana nickte und fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen.
»Sollen wir hinreiten?«, fragte Ariac und blickte sich um. Soldaten schienen nicht in der Nähe zu sein, das Dorf war ohnehin sehr einsam und weitab von der Handelsstraße gelegen.
»Ja«, sagte Rijana heiser.
Ariac zog sich die Kapuze über den Kopf. »Aber ich warte besser ein wenig abseits, denn ich will deine Eltern nicht erschrecken.«
Rijana nickte. Sie war viel zu nervös, um jetzt noch zu widersprechen. Sie fuhr sich durch die Haare, warf sie nach hinten über die Schultern und zog sich ebenfalls die Kapuze über den Kopf. Dann ritt sie langsam auf das Dorf mit den ärmlichen Hütten zu. Als eine magere Frau am Fluss sie erblickte, rannte sie schreiend zu den Hütten. Sofort bildete
sich eine kleine Gruppe, die den Ankömmlingen mit einer Mischung aus Angst und Misstrauen entgegenblickte. Ariac hielt seinen Hengst bereits bei dem Schafspferch an. Rijana hingegen ritt weiter. Sie erkannte ihre Eltern erst auf den zweiten Blick. Cadah und Hamaron waren alt geworden. Ihre Haare waren komplett weiß, und ihre faltigen Gesichter wirkten noch verhärmter und verbitterter, als Rijana sie in Erinnerung hatte.
»Was wollt Ihr?«, fragte Hamaron und blickte auf Ariac und Rijana. »Wir haben pünktlich unsere Abgaben gezahlt.«
»Sie tragen keine roten Umhänge«, flüsterte ein anderer greiser Bauer. Rijana konnte sich nicht mehr an seinen Namen erinnern.
Vorsichtig zog sich Rijana die Kapuze vom Kopf. Die Männer und Frauen stießen einen überraschten Laut aus.
»Eine junge Frau?«, fragte eine Bäuerin überrascht.
Rijana war nervös. Sie blickte Hamaron und Cadah nacheinander an, und diese musterten sie ebenfalls genau.
»Ich bin’s, Rijana«, sagte sie kaum hörbar.
Durch ihre Eltern ging ein Zucken. Sie starrten sie mit offenen Mündern an.
»Rijana?«, fragte Hamaron, so als würde er ihren Namen zum ersten Mal hören. »Was tust du hier?«
»Ich wollte … ich wollte … euch besuchen«, antwortete sie unsicher.
»Du warst eine Ewigkeit nicht hier«, sagte Cadah, und ihre Stirn verzog sich in viele kleine Falten.
Die Dorfbewohner zerstreuten sich langsam. Die meisten eilten davon, um ihrer Familie zu sagen, dass die Tochter von Cadah und Hamaron zurückgekehrt war, sogar in guten Kleidern und mit einem edlen Pferd.
»Du scheinst in Wohlstand gelebt zu haben«, stellte Hamaron fest, und seine Stimme und sein Gesichtsausdruck wirkten dabei ein wenig missbilligend. »Du trägst teure Kleider und
hast ein gutes Pferd.« Er blickte zu ihr auf. »Hast du wenigstens etwas Gold mitgebracht?«
Rijana schossen Tränen in die Augen, die sie nur mühsam wieder hinunterschlucken konnte. Sie war so fassungslos, dass sie nicht einmal einen Ton herausbrachte. Ariac kam langsam näher geritten. Er sah Rijanas unglückliches Gesicht.
»Was erwartest du?«, fragte ihr Vater weiter. »Wir hatten die letzten Jahre schlechte Ernten. Deine
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