Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
und schnaubendes Pferd durch. Sie ritt noch eine Weile mit starrer Miene durch den Wald und hielt endlich an einem kleinen See an. Ariac konnte in der Dämmerung ihr Gesicht kaum sehen. Sie sattelte Lenya stumm ab. Die Stute trank gierig aus dem See. Anschließend begann sie zu grasen. Rijana lehnte sich an den Stamm einer dicken Eiche und schlang sich die Arme um die Knie. Noch immer war ihr Gesicht unbewegt. Ariac setzte sich neben sie und reichte ihr einen Apfel aus dem Proviantsack. Sie schüttelte stumm den Kopf.
Ariac legte einen Arm um sie, und plötzlich begannen ihre
Schultern zu zucken. Sie versteckte das Gesicht in den Armen. Leise weinte sie eine Zeit lang vor sich hin.
»Sie haben nicht einmal gefragt, wie es mir in den letzten Jahren ergangen ist«, schluchzte sie irgendwann.
Ariac nickte und nahm sie fest in den Arm. Er streichelte ihr über den Kopf. »Ich konnte es mir nicht vorstellen, aber jetzt habe ich mit eigenen Augen gesehen, wie kalt und herzlos sie sind.«
Rijana nickte traurig und legte ihren Kopf an seine Schulter. »Warum tun sie das? Warum haben sie sich nicht einmal ein kleines bisschen gefreut, mich zu sehen?«
Er wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht. »Ich sage es nicht gern, aber ich glaube, deine Eltern sind einfach dumme und gemeine Menschen.«
Rijana schniefte laut. Dann blickte sie ihn nachdenklich an. »Warum sagen die Leute, dass die Steppenleute Wilde sind? Warum halten sie dich für einen Barbaren, nur weil du diese Zeichen trägst?« Sie strich ihm über die feinen Tätowierungen neben seinen Schläfen. »Deine Eltern und die anderen aus deinem Clan sind herzliche, freundliche und gute Menschen.« Rijana streckte sich und wischte sich die letzten Tränen fort. »Leute wie meine Eltern sollte man als Wilde bezeichnen, denn sie hätten das verdient.«
Ariac nickte und gab ihr einen Kuss. »Sei nicht traurig, Rijana, sie sind es nicht wert. Du hast jetzt eine andere Familie – meine Familie.«
Nun lächelte Rijana zaghaft, dann umarmte sie Ariac fest. »Ich bin so froh, dass ich dich habe und dass ich eine Arrowann geworden bin.« Sie blickte ihn ernst an. »Hätte ich jemals daran gezweifelt, dass es richtig war, dann wären spätestens jetzt alle Zweifel verflogen.«
Ariac lächelte zurück und nickte. »Und ich bin ebenfalls froh.« Dann blickte er sie nachdenklich an. »Die beiden blonden Frauen, waren das deine Schwestern?«
Rijana nickte. »Wie bist du im Namen Nawárronns darauf gekommen, dass sie hübsch sind?« Ariac machte ein so verwirrtes Gesicht, dass Rijana lachen musste.
»Das weiß ich heute auch nicht mehr.«
Ariac grinste. »Man sollte wirklich eine Menge Gold bekommen, wenn man sie heiratet.«
Rijana kicherte, aber Ariac sah noch immer den verletzten Ausdruck in ihren Augen.
»Ist es wirklich üblich bei euch?«, fragte er.
Rijana nickte. »Ja, schon. Bei den Arrowann nicht?«
Ariac schüttelte den Kopf. »Nein, das kennen wir nicht, und es macht für mich auch keinen Sinn.«
Er hielt ihr erneut den Apfel hin. Diesmal nahm sie ihn an und biss lautstark hinein.
»Es war trotzdem gut, dass ich noch einmal dort war«, sagte sie nach einer Weile nachdenklich. »Jetzt kann ich mit meiner Vergangenheit abschließen.«
»Gut, dann werden wir uns gemeinsam einen schönen, gemütlichen Platz für den Winter suchen«, bestimmte Ariac.
Rijana lehnte sich an ihn und schlang ihre Arme um seinen Oberkörper.
»Bitte lass mich mit dir gehen, egal wohin. Ich will nie mehr ohne dich sein.«
»Nicht nach Ursann, überallhin, aber nicht nach Ursann.«
Rijana biss sich auf die Lippe. Jetzt war wohl nicht die Zeit für eine Diskussion. Daher nickte sie nur, schloss ihre Augen und schlief mit dem Kopf auf Ariacs Schoß ein. Er starrte eine lange Zeit in die Nacht hinaus. Er wusste nicht, was mit Rijana geschehen sollte, wenn er nach Ursann ging. Aber dass sie nicht bei ihren Eltern bleiben konnte, das war ihm auch klar.
Vorsichtig streichelte er über ihre langen, seidigen Haare. Er konnte ihre Eltern beim besten Willen nicht verstehen.
KAPITEL 15
Der Weg nach Ursann
A m nächsten Morgen ritten Rijana und Ariac weiter in Richtung Norden. Sie dachten darüber nach, in Catharga zu überwintern. Allerdings wurde es langsam ziemlich gefährlich in den Wäldern. Nach einigen Tagen kreuzten immer mehr Soldaten ihren Weg. Rijana glaubte zu wissen, dass sie das ihren Eltern zu verdanken hatte. Sie war zwar noch immer nachdenklicher gestimmt als sonst, aber
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