Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
einen Entschluss. Zuerst wollte sie sich sicher sein, dass Scurr wirklich fort war. Sie zwängte sich durch den schmalen Spalt und schlich vorsichtig den Gang zurück. Ganz am Ende sah sie, wie König Scurr nicht zum Thronsaal, sondern eine Wendeltreppe hinauflief. Rijana zögerte und wollte in ihr Versteck zurückkehren, hörte dann aber plötzlich Geräusche. Zwei Soldaten näherten sich. Rijana quetschte sich hinter einen Torbogen und hielt die Luft an. Sie hatte Glück, die Männer bemerkten sie nicht. Rijana wartete einige Herzschläge lang ab, dann trat sie auf den Gang und lief so schnell sie sich traute den Weg zu dem Kerker zurück. In dem kleinen Verschlag versteckte sie sich und hoffte, dass der Tag bald vergehen würde. In der Nacht wollte sie Ariac befreien.
Rijana hatte keine Möglichkeit, die Zeit zu messen. Hier unten war es stockdunkel. Irgendwann hörte sie Schritte und Männer, die miteinander redeten. Sie vermutete, dass gerade ein Wachwechsel stattfand. Rijana hatte panische Angst. Was hatte der Wächter mit Ariac gemacht? Würde sie seine Zelle finden? Und konnte sie den Wächter allein wirklich überwältigen?
Scurr hat gesagt, er soll am Leben gelassen werden , dachte sie und versuchte, sich zu beruhigen.
Rijana wurde immer unruhiger. War es noch immer nicht Nacht? Erneut hörte sie Schritte. Sie drückte ihr Ohr an die morsche Tür.
»Ich soll dich ablösen«, erklang eine kräftige Stimme.
Der Wächter sagte etwas, was Rijana nicht verstand, dann sprach wieder der erste Mann.
»So eine verfluchte Scheiße, erst letzte Nacht Wache auf dem Turm und jetzt hier unten. Es sind doch sowieso kaum Gefangene da.«
Der Wächter sagte etwas von einem wichtigen Gefangenen und schlurfte schließlich an Rijanas Verschlag vorbei.
War es jetzt endlich Nacht? So wie es sich angehört hatte, war es wahrscheinlich. Sie wartete noch eine Weile und hörte den neuen Wächter vor sich hin murmeln. Schließlich hielt Rijana es nicht mehr länger aus. Sie zog ihr Schwert und hielt es griffbereit unter dem Umhang versteckt in der Hand. Sie quetschte sich durch den Spalt und spähte vorsichtig um die nächste Biegung. Der Wächter saß am Boden und trank aus einer Korbflasche, dann rülpste er laut. Sie schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Dann streckte sie sich und ging festen Schrittes um die Ecke.
Der Wächter erhob sich und fragte misstrauisch. »Hey, Kleiner, was willst du hier? Ich habe heute Nacht Wache.«
Rijana schluckte und lief ohne zu antworten weiter. Der Wächter fluchte leise.
»Hörst du mich nicht?«
Nun schob Rijana alle Bedenken zur Seite. Sie war nur noch wenige Schritte entfernt, rannte plötzlich los und rammte dem überraschten Wächter blitzschnell ihr Schwert in den Bauch. Der Wachposten starrte sie entsetzt an, stieß einen gurgelnden Laut aus und kippte nach vorn auf den Boden.
Rijana fühlte sich schlecht, denn sie hatte gelernt, niemanden ohne einen fairen Kampf zu töten. Aber dann besann sie sich. Es war nötig gewesen. Sie lehnte den Mann wieder an die Mauer, wischte das Blut mit seinem Umhang weg und verdeckte die Wunde. So sah es zumindest auf den ersten Blick so aus, als würde der Wächter schlafen. Sie nahm ihm den Schlüsselbund aus der Hand und öffnete mit aller Kraft die schwere Tür. Dann schlüpfte sie hinein. Es war dunkel. Fluchend ging sie noch einmal hinaus und holte sich eine Fackel. Ein grobbehauener Gang führte weiter in die Tiefe. Es stank hier ekelerregend. Hinter einigen vergitterten Zellen sah man noch die Überreste von Skeletten. Rijana hielt sich nicht auf und blickte immer wieder rechts und links in die Zellen. Wo war Ariac?
Weiter unten zweigte der Gang nach rechts und links ab. Rijana erfasste die Panik, sie musste sich beeilen. Schließlich entschied sie sich für den rechten Gang. Hier waren die Türen verschlossen. Hektisch steckte sie einen Schlüssel ins Schloss und öffnete. An der Wand, in eiserne Ketten gehängt, erblickte sie die Reste eines halb verwesten Mannes. Sie würgte und schloss die Tür rasch wieder. Weitere Türen kamen, die jedoch alle nicht verschlossen waren. Rijana spürte, wie sich Panik in ihr breitmachte. Wie sollte sie Ariac hier unten jemals finden? Schließlich lief sie in den anderen Gang, steckte wahllos einen Schlüssel ins Schloss und sah eine gefesselte Gestalt am Boden liegen.
»Ariac?«, fragte sie vorsichtig.
Sie hörte ein leises Stöhnen, und tatsächlich – es war Ariac. Erleichtert rannte
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