Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
und hielt sich vor Müdigkeit schwankend an den Zinnen fest. Er hätte wohl auch dann keine Gefahr erkannt, wenn sich ein ganzes Heer mit Fackeln genähert hätte.
In der Morgendämmerung durfte er endlich hinab in den Schlafsaal der Jungen gehen. Ariac ließ sich einfach auf den blanken Boden fallen. Irgendjemand hatte ihm seine Decke gestohlen, doch darum kümmerte er sich nicht mehr. Allerdings war ihm nur wenig Schlaf vergönnt. Er hatte den Eindruck, dass er gerade erst die Augen geschlossen hatte, als ihn ein Tritt in den Rücken weckte. Worran starrte finster auf ihn herab.
»Los, du kannst gleich die Tiere versorgen, die anderen sind beim Essen.«
Ariac erhob sich langsam, denn ihm tat alles weh, und sein Magen knurrte. Doch er wollte dem ekelhaften Ausbilder nicht die Genugtuung bereiten, Schwäche zu zeigen. So ging er hinab in den großen Hof, wusch sich das Gesicht im Brunnen und trank etwas, bevor er zu den Ställen torkelte, wo er den Tieren Heu und Wasser gab. Heimlich knabberte er an einer alten Futterrübe. Etwas später tauchten die anderen
Jungen auf, und als alles fertig war, kam schon wieder Worran, der sie alle hinaustrieb. Heute sollten sie durch die Berge laufen, angeblich, um Ausdauer zu bekommen. Worran selbst und fünf weitere Soldaten ritten selbstverständlich auf Pferden und trieben die Jungen gnadenlos mit Peitschen an, wenn sie zurückfielen. Ariac, der langes Laufen gewohnt war, hielt gut mit, während drei kleinere Jungen bald zusammenbrachen, woraufhin Worran auch ihnen Essensentzug verordnete. Den ganzen Tag rannten sie durch die mit Geröll übersäten Hügel. Hier und da sah man ein paar magere Wildhasen oder Ziegen, am Himmel kreisten ein paar Aasgeier. Als die Sonne schon lange ihren höchsten Punkt überschritten hatte, erreichten die erschöpften Kinder die Ruine. Sie sollten sich im Brunnen waschen, aber die meisten hatten keine Energie mehr dazu. Ein Soldat erschien und verteilte einige schrumplige Äpfel an alle bis auf Ariac und die, die nicht mitgehalten hatten. Doch wer gedacht hatte, dass der Tag jetzt beendet wäre, der hatte sich geirrt. Worran tauchte kurz darauf mit den älteren Jungen auf, und nun wurde wieder Schwertkampf geübt. Kaum einer bekam noch die Arme hoch, sodass alle eine Menge Prellungen und blaue Flecken erhielten, weil sie nicht rechtzeitig ausweichen konnten, selbst Morac, der zuvor noch getönt hatte, er wäre der Beste von allen.
Ariac musste heute mit Lugan trainieren, dem es ein boshaftes Vergnügen bereitete, den erschöpften Steppenjungen immer wieder mit dem Holzschwert zu treffen. Die Sonne war schon lange gesunken, als Worran endlich erlaubte, dass die Jungen zum Abendessen gingen. Ariac musste sofort in den Turm gehen, da es schon sehr spät war. Sein Magen knurrte so laut, dass er glaubte, allein davon könnten die brüchigen Mauern der alten Festung einbrechen. Mit einem älteren Mann, der wohl schon sehr lange unter König Scurr diente, stolperte Ariac die Treppe hinauf. Er wusste kaum noch, wie er die Augen offen halten sollte.
Er holte den Stein, der wie ein Adlerkopf aussah, aus seiner Tasche und dachte: Ich hoffe, dir geht es besser, Rijana.
Immer wieder drohte er einzuschlafen, und als in der Morgendämmerung Worran kam, grinste dieser ihn hinterhältig an. »Ich hoffe, das ist dir eine Lehre, sonst kannst du das in Zukunft immer haben.«
Ariac hatte nicht einmal mehr die Energie, etwas zu erwidern. Todmüde sank er im Schlafsaal auf den Boden, nur um kurze Zeit später ein ähnlich hartes Training zu absolvieren wie auch schon den Tag zuvor.
KAPITEL 4
Camasann
R ijana und Rudrinn wurden erst einige Zeit nach Sonnenaufgang von Brogan geweckt. Sie hatten beide so tief und fest geschlafen wie schon lange nicht mehr. Der Zauberer führte sie die Treppe hinab in einen großen Saal, wo an vielen hölzernen Tischen über hundert Kinder und mit Sicherheit zweihundert erwachsene Krieger saßen.
»Das hier«, erklärte Brogan, »ist unser Speisesaal. Auf der linken Seite sitzen die Kinder, rechts die Soldaten, die nicht Wache halten oder nicht gerade in den Ländern unterwegs sind. Sucht euch einen Platz und nehmt euch, so viel ihr wollt.«
Am Rande des großen Saales standen Körbe mit Brot, Käse, Obst und Wurst. Rijana staunte. So viel zu essen hatte sie noch nie gesehen. Auch Rudrinn wirkte plötzlich etwas unsicher, vor allem, da die anderen Kinder sie neugierig anstarrten. Die beiden nahmen sich etwas von den Leckereien,
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