Thors Valhall
seinem Magen und die andauernden Kopfschmerzen daran, einen klaren Gedanken zu fassen.
Als es schließlich an der Tür klopfte, kam er wieder auf die Beine, die Zigarette in seiner Hand ließ er dabei nicht los.
„Ich wollte nicht stören …“ Vor der Tür stand eine junge Frau, vielleicht Anfang dreißig, mit dunklen, lockigen Haaren und einer schlanken Figur. Mit großen, grünen Augen blickte sie Erik an. Die typisch englische Blässe lag auf ihrem Gesicht, ein paar Sommersprossen bedeckten ihre fein geschwungene Nase. „Ich bin Marie Wilson, die Frau von Tony.“
„Ja?“ Erik machte die Tür weiter auf.
„Du bist Erik?“
Er nickte.
„Darf ich kurz reinkommen?“
Er ließ sie eintreten, woraufhin sie sich neugierig umsah.
„Eine Suite … schön.“ Es klang hölzern. Natürlich herrschte Chaos in den Zimmern. Zigarettenschachteln türmten sich auf den Tischen, ebenso wie Getränkeflaschen und Notizzettel. Die Zimmermädchen hatte in diesen Räumen ihre tägliche Runde noch nicht hinter sich gebracht. Die Betten waren zerwühlt, Kleidung lag in den Ecken.
„Tony erzählte, du seist krank?“ Prüfend sah sie auf die Zigarette in seiner Hand. Erst da konnte er sich rühren. Der Besuch von Tonys Frau kam mehr als überraschend. Sofort drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus.
„Ja, eine Magenverstimmung … aber rauchen geht, irgendwie … immer.“
„Mmh, das kenne ich von Tony damals …“ Sie seufzte, sah sich weiter um. „Musiker sind eine Sache für sich …“, fügte sie kaum hörbar hinzu, „ich hab das nie verstanden.“
Schließlich drehte sie sich wieder um, musterte Erik gründlich. Er trug ein einfaches schwarzes T-Shirt, dazu eine eng anliegende Lederhose. Seine schwarzen Haare waren frisch gewaschen, sie glänzten und lagen glatt auf seinen Schultern auf.
„Bist ein hübscher Kerl“, stellte sie fest, ganz spontan, ganz direkt.
„Danke.“ Erik deutete auf’s Sofa. „Setz’ dich doch … Und erzähl‘ mir, was ich für dich tun kann.“
Sie kam seiner Aufforderung nach, nahm Platz.
„Ich bin wegen Tony hier“, begann sie.
Erik nickte. „Das konnte ich mir fast denken.“
„Ich habe ihn in den letzten Jahren kaum gesehen“, fuhr sie fort. „Höchstens ein Mal im Monat, wenn er Susan besucht oder abgeholt hatte. Wir hatten für sie eine Besuchsregel, an die er sich Gott sei Dank gehalten hatte.“
Sie faltete ihre Hände, senkte nachdenklich den Kopf.
„Wir hatten uns nicht mehr viel zu sagen, und ich denke, es war okay. Ich wollte ein neues Leben beginnen, ohne ihn, und Tony schien mir mit seiner Arbeit völlig ausgelastet, zufrieden … Auch wenn ich es nicht nachvollziehen kann, wie er sich den ständigen Stress mit diesem verrückten Dylan Perk antun kann.“ Sie schüttelte den Kopf.
„Er liebt seinen Job, das denke ich auch“, fügte Erik hinzu, da sah Marie auf.
„Ich will ehrlich sein“, sagte sie. „Mich geht sein Leben nichts mehr an. Als wir uns trennten, stand längst fest, dass das Familienleben nichts für ihn war. Da hatte er sich selbst etwas vorgemacht. - Aber jetzt, wo Susan so krank war, hat er bewiesen, dass ihm wenigstens seine Tochter noch etwas bedeutet. Ich habe ihn lange nicht so aufopfernd erlebt, so verlässlich und emotional. In der Hinsicht kann ich mich auf ihn verlassen, und das ist ein beruhigendes Gefühl.“
„Das klingt wirklich zufrieden stellend“, erwiderte Erik, aber er blieb nachdenklich. „Ich weiß bloß nicht, was ich …“
„Ihm geht es nicht gut“, fuhr Marie ihm ins Wort. „Seit ein paar Tagen geht es ihm miserabel.
Er rauchte viel zu viel, dabei wollte er doch endlich damit aufhören. Er schläft kaum, isst nichts, sitzt Tag und Nacht bei Susan am Krankenbett, dabei ist das längst nicht mehr nötig.“
Sie sah Erik vorwurfsvoll an.
„Ich nehme an, es ist wegen dir?“
Erik zögerte einen Moment. Was er hörte, verschlug ihm die Sprache.
„Na ja, ich …“
„Ihr hattet Stress, und nun hast du dich von ihm getrennt?“
„Ja.“ Er griff wieder zu den Zigaretten, wobei er bemerkte, dass es seinem verkorksten Magen gar nicht gut bekam. Seitdem Marie die Suite betreten hatte, fühlte er sich ebenso miserabel.
„Wieso?“
Er nahm einen Zug, sah sie an. Sie war eine hübsche Frau, doch für seinen Geschmack zu selbstbewusst, zu forsch. Er kannte sie erst wenige Minuten. Niemals hätte er vor einer Fremden nach so kurzer Zeit sein Seelenleben preisgegeben. Schon gar nicht hätte
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